Robert Jungk 100 Jahre: Forschung ohne Brücken zu Bürgern ist inhuman!

Salzburg feiert Robert Jungk. Im Mai wäre der große Wissenschaftsjournalist, Friedens- und Zukunftsforscher sowie Träger des alternativen Nobelpreises 100 Jahre alt geworden.

(c) Dr. Walter Spielmann

Er gilt als einer der Vordenker für den Umgang mit Technik und Wissenschaft. Bereits in den 1950er Jahren warnte er vor den Risiken der Atomkraft und machte sich für erneuerbare Energien stark. Auf die Energiewende Deutschlands, vor dessen Nazis der Jude flüchten musste, könnte Jungk heute stolz sein.

Bestimmt hätte er auch die TELI-Wissenschafts-Debatte unterstützt, dessen Pate er sein könnte. So sagte Jungk 1970 den Salzburger Nachrichten:

„Wollen wir menschlichere, lebendigere, produktivere Lebensumstände schaffen (…), ist das Erfinden, Durchdenken und experimentelle Durchspielen möglicher, wünschbarer, humanerer Zukünfte von erstrangiger Bedeutung. Wir sollten Werkstätten und Probebühnen schaffen, in denen die „Welt von morgen“ in ersten Strichen skizziert, kritisiert (…) modelliert (…) werden könnte. Ohne Furcht vor Interessenbindungen, ohne Bindung an Routine und falsche Vorsichten, ohne jene ‚Vernünftigkeit’, die sich stets am schon Gewußten, schon Gekonnten ängstlich orientiert und so zur Unvernunft wird.“

Dafür erfand er die Zukunftswerkstätten und die „Mitmachgesellschaft“, die „Betroffene zu Beteiligten“ macht, so auch das Motto des Robert-Jungk-Gedenkjahres. Salzburg und die Robert-Jungk-Stiftung zünden ein Feuerwerk an Aktivitäten und Veranstaltungen.

• Der Leiter der Stiftung, Jungks langjähriger Wegbegleiter Walter Spielmann, gibt zwei neue Bücher über Jungk heraus, „Das Sonnenbuch“ und „Projekt Zukunft“, die die Aktualität seines Wirkens und bisher unbekannte Forschungen dokumentieren.
• Ein Digest seines Lebenswerkes findet sich in einer Sonderausgabe der Robert-Jungk-Bibliotheks-Zeitschrift „pro zukunft“. Sie fasst alle Bücher des rastlosen Schreibers mit einer vielfachen Millionenauflage zusammen. Auf 40 spannenden Seiten schreitet der Leser den Jungk’schen Kosmos ab.
• Höhepunkt der Feierlichkeiten ist eine dreitägige Zukunftswerkstatt vom 2. bis 5. Mai mit vielfältigen Partizipationsbühnen, verteilt über die Straßen Salzburgs, getragen auch von einer meisterlich formulierten Mahnung Jungks:

“Wenn keine Brücken von den Forschern zu den Bürgern geschlagen werden, leisten diese im Grunde unwissenschaftliche Arbeit, denn sie lassen die Dimension öffentlicher Akzeptanz oder Ablehnung aus und sind dazu verurteilt, eine inhumane Wissenschaft voranzutreiben, die letztlich in Katastrophen enden muss.”

Eine Live-Wissenschafts-Debatte könnte diesen Sätzen Jungks ein Gesicht geben!

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7 Gedanken zu “Robert Jungk 100 Jahre: Forschung ohne Brücken zu Bürgern ist inhuman!

  1. Sogar absurde Wissenschaft gilt als seriös, die Bürger stehen stramm und leiden vor sich hin. Auch dort, wo allzu geflissenschaftliche Wissenschaft längst eine gesellschaftliche Krankheit ist, wird sie dennoch aus ritueller Seriosität heraus gar nicht wie eine Krankheit behandelt. Franz Kafka war da eine Art Hospiz-Brücke für die leidenden Bürger. Er hätte in seinem Patentamt über eine „Zukunftswerkstatt“ gejubelt, wie es ihm real kaum je vergönnt war. Er sah in seinem Amt: Arbeiter wurden durch Maschinen (z.B. für Holzverarbeitung) gefährdet, weil Unfallschutz zu wenig beachtet wurde. Kafka deckte auf: Gründe waren Unternehmenslobby, Unterwürfigkeit von Bittstellern und Verwaltungsträgheit. Kafka notierte hierzu über die Unfallopfer: „Wie bescheiden diese Menschen sind. Sie kommen zu uns bitten. Statt die Anstalt zu stürmen und alles kurz und klein zu schlagen, kommen sie bitten.“
    Nun sitzen Franz und Kafka gemeinsam auf einer Wolke und schauen mit bitter-süßem Schmunzeln, was wir immer noch so treiben, was (und wer!)uns so treibt – und was einzelne von uns in Zukunftswerkstätten basteln, konstruieren, erproben.

  2. Lieber Manfred,
    deinen Bericht im Tec-Journ habe ich gelesen — prima! Ich bin beim Salzburg-Jungk-Gedenken in Salzburg Anfang Mai mit dabei. Mit dem Organisator Walter Spielmann sowie den Zukunftswerkstatt-Moderatoren waren wir verblieben, dass wir eventuell eine Wissenschaftsdebatte veranstalten — sozusagen als modernes Jungk-Format. Wäre ein großer Gewinn, wenn du den Vortrag bei der Urania hinbekämest, auch unter dem Aspekt, dass die „Wiss-Deb“ in der Jungk-Tradition steht. Kriegen wir das hin, auch bei der Kreibich-Veranstaltung mit von der Partie zu sein und die Wissenschaftsdebatte als „Jungk-Update“ darzustellen? Könnte ein Durchbruch werden!
    schöne Grüße
    Wolfgang

  3. @Goede: Sollten wir die Wissenschaftsdebatte in die Robert-Jungk-Gedenkfeier in Salzburg mit einbinden?

    Wenn ich im Mai noch eine Veranstaltung in der Berliner Urania hinbekomme, könnte ich die Wissenschaftsdebatte mit einbinden. Im Juni ein Vortrag von mir im Berliner IZT über Robert Jungk als Journalist.

    Die große Veranstaltung in Berlin organisiert Rolf Kreibich am 22. Mai, Ganztages-Konferenz mit 15 Organisationen.

    Ein Bericht von mir über Robert Jungk im „Technikjournalist“ auf S. 15:

    http://issuu.com/technikjournalist/docs/technikjournalist_01-2013

  4. Vielen Dank an die drei Zukunftswerkstatt-Moderatoren und -Begleiter für die engagierten Stellungnahmen! In der Tat, wer zählt die vielen Beteiligungsmethoden- und Plattformen? Sie erden unsere Demokratie. Fast alle haben, ohne es bisher so richtig zu wissen, die Wissenschaft und Forschung im Visier.

    So befasst sich die Einwohner-Interessen-Gemeinschaft im Münchner Olympiadorf zunehmend mit der Zukunft urbaner Kultur. Dabei geht es um Architektur, Soziologie — und ganz, ganz viel um nachhaltige Energietechnik. Es gibt viele weitere Beispiele. Die Erkenntnis, dass etliche Partizipations-Initiativen ein gemeinsames wissenschaftliches Dach haben, wird die Vernetzung, Transparenz, Schlagkraft erhöhen, Wolfgang Fänderl. Deshalb war Jungk so wichtig, deshalb muss er heute weitergedacht werden.

    Auch das gehört zur Kritikphase, Fritz Letsch: Wie kann Jungk heute eine neue Stufe der Begeisterung zünden? Durch eine breite Wissenschaftsdebatte, die „Betroffene zu Beteiligten“ macht, wie Walter Spielmann so treffend formuliert.

    Nur das humanisiert die Psychiatrie, macht Halbgötter in Weiß zu Moderatoren von Heilprozessen und Patienten zu Helfern der Therapie (Bettina Jahnke. Vom Ich-Wissen zum Wir-Wissen. Mit EX-IN zum Genesungsbegleiter. Paranus 2012). Die Einbindung der Öffentlichkeit in wissenschaftliche Prozesse stellt sicher, dass Forscher sich nicht kaufen lassen.

    Sollten wir die Wissenschaftsdebatte in die Robert-Jungk-Gedenkfeier in Salzburg mit einbinden?

  5. Wie bei Robert Jungk gelernt, gehe ich erst mal in die Kritikphase: Ich erlebe grade sehr viel strukturelle Verantwortungslosigkeit in bereichen, die sich wissenschaftlich gerieren, aber eigentlich nur ihren internen Sprachschatz pflegen, um andere aus den Debatten auszuschließen. Die beiden schlimmsten Bereiche sind mir gerade die Juristerei und die Psychiatrie, gemeinsam bringen sie gern in verantwortungsloser Weise Urteile zusatande, die dann strukturell unangreifabr sind: Einer Demokratie unangemessen, aus alter pseudogöttlicher Autorität, in Talar und Weißkittel.

    Die Utopie klingt schon an: Demokratie … Bürgerrechte, Menschenrechte, eine Welt für Alle, Asyl, Ernährung, wohnen, ohne den Investoren das Leben opfern zu müssen …

    Die Strategie waren früher die Parteien, dann glaubten wir an Bewegungen, derer es nun unübersichtlich viele gibt, vor allem, seit mit dem globalen Bewusstsein die internationalen Sozialforen den großen Konzernen widersprechen und widerstehen …

    … auch wenn sich dann wieder gerne Wissesnchaftler kaufen lassen, der Deutschen Bank und der Allianz schönzurechnen, dass ihre Lebensmittelspekulationen die Preise nicht erhöhen … aber das gehört schon in die nächste Schleife der Kritik …

  6. Happy Birthday… diesem großen Vordenker und viel Erfolg bei einer ähnlichen engagierten Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die aktuelle Gesellschaftsdebatte sowie -teilhabe.
    Mit dem Internet und einer Vielzahl neuer Beteiligungsverfahren haben wir inzwischen auch andere Formen gefunden, um sich für die Zukunft (der eigenen Kinder) einzusetzen. Aber nach wie vor ist die Hauptfragestellung: Wie können wir uns dabei sinnvoll vernetzen, Tranparenz und Schlagkraft entwickeln?

  7. Die „Wissenschaftsdebatte“, für die sich Wolfgang C. Goede und TELI engagieren, folgt den zentralen Anliegen Robert Jungks. Sie zielt darauf ab, „Betroffene zu Beteiligten zu machen“ und verdient breite, auch kritische Reflexion. Wir würden uns freuen, wenn diese Diskussion im Rahmen des Robert-Jungk-Jahres 2013 intensiviert und öffentlich gemacht würde. Ein zentrales Zukunftsthema!

    Walter Spielamnn
    Robert-Jungk-Stiftung, Salzburg

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