Vom wissenschaftlichen Unsinn der Energiewende — und wie Sinn hinein kommen soll

Die Politik hat „erst gewendet, weiß aber noch nicht wohin“. Das ist noch eine der harmlosen Einschätzungen von Prof. Dr. Robert Schlögl dafür, was derzeit in der Berliner Energiepolitik los ist. Schlögl ist dabei nicht irgendwer, sondern Deutschlands derzeit renommiertester Katalyseforscher, Direktor am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin und Chef des neuen Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion (CEC) in Mülheim an der Ruhr. Er ist gleichzeitig Vorsitzender des Steuerkreises der Initiative „Energiesysteme der Zukunft“, getragen von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Gemeinsam wollen sie die Energiewende in Deutschland begleiten mit den Zielen Nachhaltigkeit, Finanzierbarkeit, Versorgungssicherheit und — gesellschaftliche Akzeptanz.

Der Chemiker berät die Bundesregierung -- und kritisiert die Versprechungen der Politiker

Bild: MPG

Dass die Energiewende zum Preis einer Tasse Kaffee zu haben sei, entlarvt der Chemiker als ein Märchen: Schon der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sage, dass regenerative Energie Geld koste. Um die völlig unrealistisch angenommene lineare Reduktion der Kohlendioxidemissionen zu erreichen, sagte Schlögl vergangene Woche auf einer Forschungsveranstaltung der BASF in Ludwigshafen, werde der Preis sich mindestens verdoppeln. Preiswertere Wege, nämlich die Installation effizienterer Kraftwerke als Ersatz für ältere fossil befeuerte Stromerzeuger, wolle die Politik nicht genehmigen. Das Denken in Systemen sei den meisten Politikern überhaupt fremd, und selbst als Vorsitzender offizieller politikberatender Kommissionen finde er kaum Interesse an fundierten Lösungen, die ein Denken über den nächsten Wahltermin hinaus erforderten.

Speicherung ungelöst

Das Problem der erneuerbaren Energien sei ihre Speicherung — und dieses Problem lasse sich sicher nicht kurzfristig lösen. Mehr als 25 Prozent Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne könnten wegen der enormen Schwankungen vom Netz nicht verkraftet werden, deshalb brauche man Speicher in derzeit kaum realisierbaren Dimensionen. Eoine Schlüsselreaktion hierbei sei die chemische Elektrolyse von Wasser, allerdings sei auch dieser Prozess noch weit weg davon, in großem Umfang genutzt werden zu können. und wegen der enormen Umwandlungsverluste bei der Gewinnung von Strom aus chemisch gespeicherter Energie müsse zunächst über katalytische Prozesse aus Sonnenenergie und Kohlendioxid neuer Rohstoff für die chemische Industrie gewonnen werden. Damit sollten hochwertige Produkte erzeugt werden, bevor man diesen Rohstoff nur zur Stromerzeugung verbrenne. Wenn das erst einmal funktioniere, dann wären auch fünf Prozent des Energieproblems gelöst …

Forschungsforum Energiewende

Bundesministerin Johanna Wanka hat deshalb letzte Woche im Berliner Humboldt Carré die konstituierende Sitzung der Dialogplattform „Forschungsforum Energiewende“ eröffnet. In dem Forum kommen Vertreter aus der Politik, den Wissenschaftsakademien, aus Wissenschaftsorganisationen und Universitäten, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft zusammen. Auf der Grundlage von Handlungsoptionen aus der Wissenschaft wird das Forschungsforum Handlungsempfehlungen für eine effiziente Umsetzung der Energiewende erarbeiten.

Hintergrund: Das „Forschungsforum Energiewende“ versteht sich als Dialogplattform aller am Prozess der Energiewende Beteiligten, die die verschiedenen Optionen aus der Wissenschaft je nach Perspektive bewerten und in Empfehlungen umwandeln. Aufbauend auf den Analysen des Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ der deutschen Wissenschaftsakademien sollen Vorschläge, Empfehlungen, Szenarien und Optionen zur Energiewende, die aus der Forschung entwickelt werden, gemeinsam mit den Stakeholdern bewertet werden. Antworten sowie Forschungs- und Umsetzungsfragen werden durch das „Forschungsforum Energiewende“ in den Gesamtzusammenhang gestellt.

Chemiker und Naturwissenschaft mit und gegen die Politik

Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen„, so ein Spruch von Max Planck, den sich die gleichnamige Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Und es gibt viel zu lernen über Energiesysteme, über Thermodynamik und sinnvolle und unsinnige Arten von Energieumwandlung und -speicherung. Lohnend ist auf jeden Fall der Besuch von Schlögls Webseite www.solarify.eu, ein Pflichtprogramm für jeden Politiker und erst recht jeden Journalisten, der sich mit dem Thema Energie befasst, ist einer seiner Vorträge, beispielsweise die auch im Internet zu genießende Präsentation „Energiewende — Wunsch und Wirklichkeit“ in der Reihe Physik am Samstagvormittag an der Universität Bayreuth.

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2 Gedanken zu “Vom wissenschaftlichen Unsinn der Energiewende — und wie Sinn hinein kommen soll

  1. Der Einschätzung von Axel Fischer, dass die sogenannte Energiewende ein unsinniges Unterfangen ist, ist voll und ganz zuzustimmen. Ob allerdings der von ihm angepriesene Professor Schlögl die berufene Person ist, der Vernunft Gehör zu verschaffen, darf angezweifelt werden, wie überhaupt die Kritik aus Naturwissenschaft und Technik, die jetzt an der Energiewende geäußert wird, wohlfeil ist. Wo waren die Proteste, als die Kanzlerin nach Fukushima ihre aberwitzige energiepolitische Kehrtwende einleitete?

    Vielmehr haben führende Repräsentanten bereitwillig in der „Ethikkommission“ von Klaus Töpfer mitgemacht und dem unsäglichen „Gemeinschaftswerk für die Zukunft“ ihren Segen gegeben, und nun stehen sie bereit, dafür die „gesellschaftliche Akzeptanz“ herzustellen. Schlimmer geht es kaum. Die Wissenschaft gibt sich dazu her, ein wissenschaftlich unsinniges Unterfangen zu rechtfertigen.

    Das scheint auch Axel Fischer nicht recht aufgegangen zu. Wie könnte er sonst die Interseite solarify.eu von Schlögl empfehlen. Sie wird von dem PR-Büro „Agentur Zukunft“ betrieben und preist sich als „unabhängiges Infoportal“ an, dessen „Bestreben absolute Seriosität“ ist. Der Hauptzweck besteht jedoch offenkundig darin, das EEG – das zweite Grundübel der Energiewende – zu verteidigen (siehe die aktuelle Kolumne, in der man sich nicht scheut, sogar Wahlkampf zu machen). Es ist skandalös, das die MPG dafür ihren Namen hergibt.

    Nicht die Manöver der Politiker sind es, die einen Wissenschaftsjournalisten zur Verzweiflung treiben könnten – zum Zwecke des Machterhaltes war es wohl ein kluger Schachzug von Angela Merkel, nach Fukushima das Atomthema abzuräumen – sondern dass sich die Wissenschaftsorganisationen von der Politik haben ans Gängelband nehmen lassen. So geht das Vertrauen in die Wissenschaft verloren. Darüber sollten wir in der TELI diskutieren.

  2. Im August startete dieser Think-Tank der Akademien auch seine konkrete Arbeit. Bleibt abzuwarten, ob die Experten mit ihren Erkenntnissen aus dem Elfenbeinturm herauskommen und von der Politik wahr- und vor allem ernst genommen werden.

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