Gesellschaft VERJÜNGT sich: Pensionierung gehört abgeschafft

Heute geborene Kinder können mindestens 100 Jahre alt werden. Die Chance dafür beträgt 50 Prozent. Wie wirkt sich diese in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegene Lebenserwartung auf unsere Gesellschaft, auf die erforderliche Lebensarbeitszeit, auf Renten aus? Damit beschäftigt sich die neueste Ausgabe von Max Planck Forschung mit dem Titel „Gesellschaft im Wandel“.

Die Lebensverlängerung bewertet die Statistikerin Jutta Gampe als „eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften der jüngeren Menschheitsgeschichte“. Dem Begriff einer „vergreisenden Gesellschaft“ stellt die Forscherin am Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung den einer sich „verjüngenden“ entgegen. Dafür verantwortlich zeichnen der medizinische Fortschritt und eine gesündere Lebensweise sowie eine höhere Bildung. Wissen verlängert das Leben.

Axel Börsch-Supan
vom Munich Center for the Economics of Aging (MEA) fragt, wie sich die Erwerbs- und Beschäftigungspolitik in diesem Jahrhundert verändern muss, um dieser Herausforderung zu begegnen. Seine Antwort ist die „Erwerbsbeteiligung“. Das heißt, Menschen müssen viel früher als bisher in Lohn und Arbeit gebracht werden und sie müssen gleichzeitig viel länger erwerbstätig bleiben. Nur so lässt sich ein erheblicher Abfall des Lebensstandards verhindern.

Eine größere Erwerbsbeteiligung verlangt mehr Kinderbetreuungsplätze für Frauen, die in ihren Beruf zurückkehren wollen, eine Reform der Studienbedingungen, bessere gesellschaftliche Bedingungen für Menschen mit Migrationshintergrund. In der Arbeitswelt sind künftig mehr Teams aus sowohl älteren als auch jüngeren Mitarbeitern verlangt.

Damit das gelingt, ist die bessere Integrierung der Nicht-Deutschen nötig. Dafür setzt sich Steven Vertovec, Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften ein. Er hat den Begriff von der Supervielfalt geprängt. Beispiel Frankfurt am Main: Dort leben 176 verschiedene Ethnien zusammen, in London zum Vergleich 179. In der „transnationalen Orientierung“, multiplen Orientierungen und Mehrfachidentitäten sieht Vertovec mehr Chancen als Risiken, kurbeln doch neue Konsumenten und neue Berufstätige die Wirtschaft an.

Diese Multikulturalität hält unsere Gehirne auf Trab und verlangt immer wieder neue Anpassungen. Diese haben enorme Gehirnaktivitäten zur Folge und bewirken, dass sich unsere Steuerungszentrale laufend erneuert. Ulman Lindenberger vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung beobachtet plastische Veränderungen im Gehirn, wenn es auf Hochtouren läuft — ähnlich wie bei einem Muskel, der ständig in Bewegung gehalten wird.

James Vaupel, Direktor am Rostocker Max-Planck-Institut für Demografie, hat dieses Gebot ein Leben lang befolgt. Der 65-Jährige leistet sich tagtäglich etwas Außergewöhnliches, äußert einen ungewöhnlichen Gedanken oder trägt eine ungewöhnliche Krawatte. Fortschreiten, auch des Kopfes, ist nur gegen die Tyrannei der Gewohnheit möglich, lautet eine von Vaupels Lebensweisheiten.

Als Konsequenz daraus propagiert er die Freistellung der Lebensarbeitszeit. Jeder darf so lange arbeiten, wie er will. Wenn die Alten täglich nur ein paar Stunden täglich schaffen, sagt er, verliert der demografische Wandel seinen Schrecken von ganz alleine und die Finanzierungsengpässe der Rentenkassen verschwinden.

Max Planck Forschung: Gesellschaft im Wandel

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2 Gedanken zu “Gesellschaft VERJÜNGT sich: Pensionierung gehört abgeschafft

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