Mut zum Experiment!

Der gegenwärtige Medienumbruch hat die Wucht eines Paradigmenwechsels, an dessen Ende ein neues Weltverständnis steht. Im Kern sind es Veränderungen in den Teilsystemen der Filterung und Finanzierung, die eine Neujustierung des gesamten Medienapparates erforderlich machen.

So beginnt ein lesenswerter Beitrag auf Carta mit dem Titel: Die vier Subsysteme des Medienapparats. Hier ein Auszug:

Als Johannes Gutenberg oder Guglielmo Marconi die Grundlagen (unserer derzeitigen Medienwelt) gelegt haben, gab es keinen Kompass, keine Leitschnur, keine Regeln, wie daraus einmal funktionierende Mediensysteme als Teil demokratischer Ordnung werden können. Sie sind gewachsen, aus unzähligen Experimenten, zum Teil über Jahrhunderte. Wir erleben gegenwärtig einen Umbruch wie zu Zeiten Gutenbergs. Darum ist es zu früh, alle Antworten zu verlangen.

Es bleibt allein das Experiment: Vielleicht mit Mini-Videoteams, die Mikrofernsehen machen, oder indem man versucht zu verstehen, auf welche Weise viele Mitwirkende ein journalistisches Projekt besser machen können. Oder mit einer Seite, bei der die Leser für die Geschichte spenden, die ihnen am wichtigsten erscheint. Natürlich – auch Stiftungen und freiwillige Geldgeber können und müssen wohl eine Rolle spielen. Experimente können übrigens auch scheitern – deshalb sind es ja Experimente.

Eine entscheidende Frage ist wohl, ob in Zukunft tatsächlich der Qualitätsjournalismus nicht mehr bezahlbar ist, oder ob es allein die großen massenmedialen Verteilungssysteme und die daran hängenden Konzerne sind, die laut eigener Aussage aus Online-Werbeeinnahmen nicht finanziert werden können – während sie häufig alles andere als Qualitätsjournalismus betreiben.

In ihrer bestehenden Form wird unsere Medienlandschaft nicht weiter existieren. Sie kann es nicht, bei einem derart radikalen Bruch, der ihr die fundamentale ökonomische Grundlage entzieht. Das ist keine düstere Prophezeiung, es ist eine Gewissheit. Offen ist allein, wie lange es dauert. Dieser Text ist daher auch keine Utopie oder Brandrede, sondern nichts als ein weiterer Versuch, das Unvermeidbare zu verstehen.

Ebenso wie es in der Welt der Wissenschaft immer und immer wieder Paradigmenwechsel gegeben hat, gibt und gab es sie in den verschiedensten Bereichen unseres technischen Lebens. Die Elektrizität ersetzte die Dampfmaschine. Das Pferd wurde vom Auto ausmanövriert. Das Telefon machte dem Telegrafen den Garaus. Immer sind dabei Konzerne – Weltreiche manchmal – untergegangen, immer sind dabei neue Welten und Konzerne entstanden. Die wiederum neue (meistens: mehr) Arbeit geschaffen haben und neue Prosperität.

Was uns bei dieser Revolution am ehesten beunruhigen sollte, ist die Art und Weise, mit der große Teile der deutschen Medienlandschaft diese zwingende ökonomische Logik verneinen und der Politik einzureden versuchen, das Problem ließe sich durch Verbote und Rezepte aus der alten Welt regeln. Das legt Sorge um den Medienstandort Deutschland nahe. Kuhn hat erklärt, dass die Welten vor und nach einem Paradigmenwechsel „inkommensurabel“ seien. Mit anderen Worten: so unterschiedlich, so anders, dass es kaum noch möglich ist, sie überhaupt zu vergleichen. Geschweige denn, die Rezepte aus der alten in der neuen Welt anzuwenden.

Die Medienwelt ist keine Scheibe mehr. Sie wird zur Kugel. Anstatt darüber zu streiten, wo am Firmament welcher Stern aufgehängt sein soll, ist es heute weitaus wichtiger, mit aller Macht eintausendundein Experiment zu wagen, um dieser Kugel ihre Form zu geben. Sonst tun es andere – vielleicht diejenigen, bei denen das Experimentieren tief in der Unternehmenskultur verankert ist.

Danke, Walt, fuer den Tipp!

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