Wie schlecht darf ein Journalist sein?
Was macht Qualität aus? Zählt Sorgfalt noch?

Das Image unseres Berufsbildes hat auch etwas mit dem zu tun, was wir transportieren. Wenn sich sogar ein Chefredakteur öffentlich mit der Vergrößerung des eigenen Penis herumschlägt oder für das ZDF Luxusreisen unternimmt, trägt das nicht gerade zur Mehrung des Ansehens unseres Berufsstandes bei, das wissen wir alle.

SZ und Kohlendioxid

SZ und Kohlendioxid,
ein Beispiel von vielen

Aber sind es nicht auch die vielen kleinen Fehler in den Artikeln, die dem Leser schon bei minimaler naturwissen-schaftlicher Schulbildung aufstoßen? Sind Journalisten zu arrogant geworden, dass sie glauben, von allem etwas zu verstehen? Wenn etwa der SZ-Architekturkritiker sich völlig unbeleckt von jeder Sachkenntnis unter dem Titel „Abgespeist“ episch über Molekularküche und Fastfood verbreitert? Die Kritik dazu erreicht leider nur wenige Leser. Feuilleton-Journalisten fehlt oft jegliches Unrechtsbewusstsein, wenn das Thema in Richtung Naturwissenschaft geht, Beispiele dafür gibt es genug. Leider merken es die Leser meistens gar nicht, nicht einmal in der Politik – wie etwa den Unsinn, den viele Medien berichteten, nachdem die Vertretung Massachusetts im Senat an die Republikaner fiel (und damit keineswegs die Mehrheit der Demokraten im Senat verloren ging).

Der Relativsatz im ZitatAber auch in den Nachrichtenteilen stolpert man von Fehler zu Fehler, auch und gerade in der SZ. Rechtschreibfehler, Übersetzungsfehler, schlechte Recherche. Ist es der Zeitdruck, der diese Art von Journalismus produziert und protegiert? Als freier Autor bekomme ich heute immer weniger Zeilenhonorar, von Recherche-kosten ganz zu schweigen. Meine Arbeit ist vielen Redaktionen nichts mehr wert. Die Seiten füllen sie selbst, aber womit nur? Manchmal denke ich mir, am Niedergang der Zeitungen sind die Zeitungen zu allererst selbst schuld, weil sie inhaltlich in der Beliebigkeit der Masse versinken und formal von einer peinlichen Schlamperei zur anderen rutschen.

Oder von einer Hysterie zur nächsten: Was war das denn mit der Schweinegrippe? Da wurde jeder einzelne Todesfall über Tage gemeldet – und gleichzeitig die Impfung dagegen schlecht geredet. Wie relevant war denn das alles? Da bestellt die Regierung aufgrund der Hysterie massenweise Impfdosen und wundert sich dann, dass sie darauf sitzen bleibt? Dabei haben wir uns doch immer gefragt, warum über die zehntausend Toten der „normalen“ saisonalen Grippe im Vergleich dazu so wenig berichtet wurde und wird?

Journalismus hat nur eine Chance zu überleben, wenn das Produkt etwas taugt. Und das Bewusstsein des Verbrauchers gestärkt wird, auf Qualität zu achten. Beim Essen wird großes Geschrei darum gemacht, da wird vor lauter Qualitätsduselei manches Bio-Produkt völlig überhöht, auch was den Preis betrifft. Aber kommt irgendwann auch der Bio-Journalismus? Zuerst als Exot in den Bioladen, dann Mainstream bei den journalistischen Aldis?

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