Wer ist wessen Handlanger?

by Wolfgang Goede | 4. August 2015 22:22

Rainer Sturm_pixelio.de

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Das lesenswerte Buch über „Korrespondenten im Kalten Krieg“* zeigt an vielen journalistischen Lebensgeschichten den ideologischen Kampf zwischen Gut und Böse. Aber haben die Werte des Westens wirklich gewonnen?

Die 19 Interviews mit politischen Korrespondenten aus der BRD und DDR aus den Zeiten des Kalten Kriegs, darunter bekannte Namen wie Kienzle, Loewe, Bednarz sind spannend. Die Interviewer schaffen es, die Journalisten aus dem Nähkästchen plaudern zu lassen. Der ideologische Kampf der Systeme um Macht und ein menschenwürdiges Dasein entbrennt in den Texten noch einmal.

Erkenntnisreich ist es zu lesen, wie DDR-Journalisten sich selber in vielen Variationen als zentral gelenkt durch ihre Partei beschreiben. Nur überzeugte Kommunisten erhielten das Privileg auszureisen und aus den Konfliktzonen der Welt in Asien, Afrika und Südamerika zu berichten. Bei allen Unfreiheiten und journalistischer Perspektivverengung wird dennoch viel Idealismus und Wille sichtbar, zu einer gerechteren Welt beizutragen.

Aber auch die BRD-Journalisten räumen ein, dass sie sich oft zu propagandistischen Zwecken einspannen und missbrauchen ließen, sie in die Fallen der Apartheidpolitik Südafrikas hineintappten, wie sie unter einer fehlenden inneren Pressefreiheit litten, bei den öffentlich-rechtlichen Sendern die Politik in die Personalauswahl hineinregierte, während die privatwirtschaftlich organisierten Medien sich zunehmend der Kommerzialisierung und Boulevardisierung der Inhalte hingaben.

Die Grenze zwischen Gut und Böse verlief quer durch die gegnerischen Lager, auch im Journalismus.

Spannend auch zu lesen, wie einige DDR-Korrespondenten es schafften, nach der Wende journalistisch wieder Fuß zu fassen. Hier endet das Buch, doch die Geschichte geht weiter.

Wie sich über die ehemaligen Ostblockstaaten mit dem Neoliberalismus eine Art neuer Totalitarismus stülpte. Solide Inhalte waren nicht mehr gefragt, nur sensationell und profitabel mussten sie sein. Über diesen traumatischen Wandel berichteten einmütig Wissenschaftsjournalisten aus Ungarn, Tschechien, Bulgarien, Kroatien, Russland auf einer internationalen Konferenz1. Sie kamen vom Regen in die Traufe.

Die Kritik ist für die westliche Lebensart und Demokratie wenig schmeichelhaft. Sie rundet gleichwohl das mit großem Aufwand erarbeitete Buch von Lutz Mükke ab, Direktor des Europäischen Instituts für Journalismus- und Kommunikationsforschung in Leipzig, verlängert es in die Gegenwart, vereinigt die Wahrheiten von damals zu einer neuen aktuellen Wahrheit. 51q28X7qE8L._SX331_BO1,204,203,200_

1) http://www.eusja.org/totalitarianisms-new-clothes
*) Lutz Mükke: Korrespondenten im Kalten Krieg. Zwischen Propaganda und Selbstbehauptung. Herbert von Halem Verlag Köln 2014
http://www.halem-verlag.de/2014/korrespondenten-im-kalten-krieg/
http://www.amazon.de/Korrespondenten-Kalten-Zwischen-Propaganda-Selbstbehauptung/dp/3869620595

Source URL: http://www.wissenschaftsdebatte.de/?p=5278