Zukunft Auto: E-mobil, Wasserstoff oder wie?

Im September 2020 sprach Radio Lora Wissenschaft Kontrovers einen Dauerbrenner an: E-Mobilität und Mobilität. Hochaktuell, denn eine neue Abwrackprämie 2.0, auch Innovationsprämie genannt, soll die corona-gebeutelte Autoindustrie wieder auf Kurs bringen: durch Förderung von E-Autos. Aber sollten wir nicht gleich zu Wasserstoffantrieben wechseln? Und überhaupt: Immer mehr Menschen arbeiten aus dem Homeoffice – hat Automobilität Zukunft? Eine Gemeinde in Baden-Württemberg bezuschusst mit 500 Euro die Abschaffung von Verbrennern zugunsten von E-Bikes oder Umstieg auf Bus und Bahn.

Stellung dazu nahmen die Gäste: Andreas Klugescheid von BMW, Bereich Kommunikation Nachhaltigkeit, Leiter Steuerung Politik und Außenbeziehungen. Der Konzern will bis 2023 mit einem Dutzend elektrischer Modelle auf den Markt. Ein erklärter Gegner von E-Autos ist Professor Dr. Ingenieur Jörg Wellnitz, TH Ingolstadt. Für ihn sind E-Autos ein grünes Mäntelchen.

Der BMW-Vertreter und TH-Professor argumentierten über weite Strecken der Sendung sehr kontrovers. Für Wellnitz sind E-Autos eine völlig falsche Strategie. Anders als stromkabelversorgte Schienenfahrzeuge schleppen sie ihren Strom in Gestalt schwerer Akkus mit. Was das Fahrzeuggewicht erheblich erhöht und die Effizienz verringert. Sie seien keineswegs emissionsfrei, sondern ihre CO2-Bilanz sei durchaus vergleichbar mit der von Verbrennern. „Corona sei Dank, dass wir jetzt verstehen müssen, dass das Konzept nicht funktioniert“, sagte der Ingenieur.

Streitpunkte: Effizienz, Akkus, fehlende E-Tankstellen

Klugescheid hielt dem entgegen, dass bei der Kundschaft der elektrische BMW i3 sehr beliebt sei und er sich „wie geschnitten Brot“ verkaufe. Kundenbefragungen zeigten, dass die Fahrzeuge Fahrspaß bereiteten und auch emotional ankämen. E-Autos seien bei vielen noch nicht weggeräumten Hürden ein Versprechen in eine fossilfreie Zukunft der Mobilität. Bis 2030 wolle der Konzern die Hälfte seiner Flotte, 1.250.000 Fahrzeuge, elektrifizieren. Kritik an der unethischen Gewinnung der Akku-Rohstoffe, etwa durch Kinderarbeit im Kongo, treffe seine Firma nicht. Kobalt kaufe sie direkt in Marokko und Australien ein, Seltene Erden würden ab 2020/21 nicht mehr eingesetzt.

Wellnitz ließ nicht locker. Jeder Tesla-Akku verbrauche bei der Herstellung 80.000 Liter Wasser. Unfälle mit E-Autos seien besonders gefährlich. Der Akku sei eine nicht abzustellende Stromquelle. Feuerwehrmänner ohne Spezialausrüstung dürften brennende Fahrzeuge nicht löschen.

Auch die Frage nach der Versorgungssicherheit mit Antriebsstrom stieß auf unterschiedliche Antworten. Großstädte wie München, Berlin, Hamburg haben bisher nur 1000 Ladepunkte. Klugescheid verwies auf Fördermittel für den Ausbau der Infrastruktur aus Berlin. Auch Brüssel bewege sich, um das Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle in Europa zu verringern.

Nicht lieber gleich auf Wasserstoff umsatteln?

Wellnitz verwies im Gegenzug auf eine Studie in Marseille. Die Ausstattung der Stadt mit genügend Stromtankstellen verbrauche so große Mengen an Kupferkabel, wie sie in ganz Frankreich nicht zur Verfügung stünden. Er machte auf einen weiteren Bremsfaktor aufmerksam. Der Staat werde sich die ausfallenden Einnahmen durch die Mineralölsteuer über eine hohe Stromsteuer zurückholen. Das dürfte die Strompreise explodieren lassen und das Betreiben von E-Autos sehr kostspielig werden lassen.

Bei allen von ihm aufgezeigten Pferdefüßen ließe sich das E-Auto nicht stoppen, räumte Wellnitz ein. Wenn Porsche kein E-Modell im Angebot hätte, würde es in zwei Jahren kein einziges Fahrzeug mehr verkaufen. E-Mobilität und die im Angebot zu haben ist also auch eine große Prestigefrage für die Autoindustrie. Alles in allem billigte Wellnitz dem akku-gestützten elektrischen Antrieb nur eine Zukunft in Gestalt von Spezialfahrzeugen etwa auf Airports zu.

Bei so vielen Fragezeichen: Wäre denn die Brennstoffzellen-Wasserstoff-Alternative der Weg in die automobile Zukunft? Bei der Frage hielten sich beide Kontrahenten bedeckt. Obwohl BMW in den Nuller-Jahren bereits grünes Licht dafür gegeben hatte und für die 2020er ein Comeback angekündigt hat. Insgesamt ist dieser Antrieb immer noch eine Entwicklungstechnologie, kostspielig und noch nicht ausgereift. Klugescheid kann sich eine „Koexistenz von Strom und Wasserstoff“ vorstellen. Wellnitz hält die Brennstoffzelle für ein „mittleres Fernziel“.

Deutschland bleibt Autoland

Wasserstoff selbst ist kein Naturprodukt und kostspielig in der Herstellung. Es fehlt eine Produktions- und Versorgungsinfrastruktur. Gleichwohl sich ganz normale Verbrenner mit Wasserstoff betreiben ließen, „auch mit schmutzigem wie Ethanol“, sagte Wellnitz.

Hat das Auto denn überhaupt Zukunft? Auch mit Blick auf den Digitalisierungsschub durch die COVID-19 Pandemie, der das Arbeiten und die virtuelle Kommunikation aus dem Homeoffice (inkl. Produktion dieser Radiosendung über den Atlantik hinweg) in kürzester Zeit zur Normalität werden ließ.

Beide Lora-Gäste, neben ihren auto-affinen Professionen auch bekennende Autoliebhaber, sehen bei allen sozio-ökonomischen und arbeitstechnischen Veränderungen Deutschland uneingeschränkt weiterhin als Autoland, sowohl bei der Herstellung wie auch Nutzung.  Wellnitz glaubt sogar, dass der E-Auto-Boom insgesamt noch mehr Fahrzeuge auf die Straßen bringen werde.

„Plugin-Hybride – das Beste aus zwei Welten“

Für hocheffiziente Verbrenner sehen beide noch lange kein Ende. Besonders in Kombination mit einem E-Antrieb, sogenannten Plugin-Hybriden, „das Beste aus zwei Welten“, wie Kluggescheid diese Tandem-Technologie nannte. Für Stadtgebiete und besonders deren Zentren stelle sich die Frage, wie sinnvoll das Auto sei, sagte der BMW-Mann. Eine sinnvolle Vernetzung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei gefragt. Als gute Nachricht und Fazit resümierte Klugescheid, dass der Automarkt künftig mit einer Vielzahl attraktiver Technologien aufwarten werde, wogegen auch Wellnitz keine Einwände erhob.

Durchs virtuelle Streitgespräch führten die Lora-Moderatoren Günter Löffelmann und Wolfgang Chr. Goede. Die Audioversion der Radiosendung vom 3. September findet sich unter diesem Link.

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