by Jan Oliver Löfken | 30. November 2012 13:44
Auf der Wissenswerte in Bremen stellten dieses Jahr unsere Kollegen von der WPK ihre Idee eines deutschen Science Media Centers (SMC) zur Debatte. Die Resonanz auf das Vorhaben ist ziemlich gleichverteilt gespalten zwischen Befürwortung und Ablehnung. (http://twitter.com/methodenkritik/status/273082665471709184/photo/1)
Publikum gespalten - Einschätzungen zu einem deutschen Science Media Center auf der Wissenswerte 2012
Um sich selbst ein Bild zu machen, dokumentiert TELI hier die wesentlichen Vor- und Nachteile.
Prämissen der SMC-Initiatoren:
Die Berichterstattung über Wissenschaft, Medizin und Technik weist in zahlreichen Medien, vor allem im TV, den Regionalzeitungen und der Boulevardpresse eklatante Mängel auf. Ergebnisse von Studien werden gehyped, schlecht eingeordnet und erzeugen gar bei Medizinthemen falsche, vorerst nicht erfüllbare Hoffnungen.
Dieses Manko werde in Zeiten schrumpfender Etats für Redaktionen und freie Mitarbeiter kaum von den Medien selbst zu beseitigen sein.
Ziele des SMC:
Zu relevanten Themen will ein SMC möglichst unabhängige Expertenmeinungen einholen, Zitate von Forschern bereitstellen und im Idealfall auch grundlegende fachliche Hintergründe liefern. Das soll sehr schnell (oft schon während einer Sperrfristzeit) von versierten Wissenschaftsjournalisten im Auftrag des SMC geschehen und möglichst frei verfügbar an Redaktionen UND freie Autoren weitergeleitet werden. Selbst in Wissenschaftsthemen nur mäßig bewanderte Kollegen sollen dadurch relevante Themen möglichst korrekt für Ihre Leser, Zuhörer und Zuschauer aufbereiten können.
Pro:
Auch wenn die Medien selbst die Gründe für die schlechte Berichterstattung zu verantworten haben, könnte ein SMC schnell und für die Verlagshäuser möglichst kostenfrei korrektere Einordnungen und Zitate zu aktuellen Themen liefern.
Redakteure können in der Recherchephase auf weitere Expertenzitate als bisher zurückgreifen.
Bisher unbeachtete Themen könnten identifiziert und aufbereitet werden, um die Themenvielfalt, besonders im Hinblick auf deutsche Forschungsergebnisse, zu erhöhen.
Contra:
Bisher werden nicht selten Freiberufler mit ausgewiesenem fachlichen Hintergrund mit Artikeln beauftragt, um eine korrekte Berichterstattung zu gewährleisten. Diese Aufträge könnten mit einem SMC wegfallen.
Sollten dank eines SMC auch Redakteure des „Vermischten“, der „Politik“ oder „Wirtschaft“ Agenturberichte gehaltvoll ergänzen können, könnte eine Anstellung von ausgewiesenen Wissenschaftsredakteuren überflüssig werden. Ein SMC könnte so dem Schrumpfen von Redaktionen Vorschub leisten.
Ein SMC muss über ein extrem kompetentes Team an Journalisten mit fachlicher Expertise verfügen. Sollten die sicher nicht geringen Kosten dafür von den Forschungsgesellschaften, Universitäten oder Instituten getragen werden, bleibt die Frage der journalistischen Unabhängigkeit zu klären.
Ein SMC könnte sich – nach britischem Vorbild – nur auf die großen Mainstream-Themen stürzen. Das würde Ergebnisse beispielsweise aus Science, Nature oder PNAS zusätzlich zu der schon gewährleisteten Verbreitung noch mehr hervorheben. Es droht, dass die jetzt schon mangelnde Themenvielfalt weiter eingeschränkt wird.
Je nach Finanzierungsmodell könnten nur zahlende Verlage und Journalisten Zugang zu einem SMC erhalten. Daraus könnte eine Wettbewerbsverschiebung zum Nachteil von heute schon finanziell schlecht ausgestatteten freien Kollegen führen.
In anderen europäischen Staaten (z.B. UK, Dänemark, Norwegen) gibt es bereits SMC bzw. ähnliche Strukturen. Die Resonanz darauf von Seiten vielen Redakteure ist negativ wie eine Recherche des TELI-Vorstands ergeben hat (Details dazu folgen).
Die Unabhängigkeit eines SMC könnte je nach Geldgeber nicht gewährleistet sein. Es besteht die Gefahr für nur ein weiteres PR-Portal für Wissenschaft und Technik.
Ungeklärt:
Die WPK wird für eine erste Planungs- und Konzeptphase höchst wahrscheinlich Gelder von der Robert-Bosch-Stiftung erhalten. Die weitere Finanzierung ist allerdings noch völlig ungeklärt. Im Fokus stehen vor allem die Forschungsgesellschaften in Deutschland, die zusätzlich zu eigener PR-Arbeit und dem idw ein SMC unterstützen sollen.
Fazit der TELI:
Die TELI schätzt die Nachteile eines SMC höher ein als die Vorteile. Vielmehr wäre wichtiger, die Arbeitsbedingungen von freien wie fest angestellten Wissenschaftsjournalisten zu verbessern. Denn alle geplanten SMC-Aktivitäten gehören schlicht zu den wichtigsten Hausaufgaben, die jeder gewissenhafte Journalist selber erledigen sollte. Ein Mittel für gute, korrekte Geschichten abseits des Themenmainstreams wären mehr Recherchestipendien. Das dieser Weg ein richtiger ist, zeigte die leider beendete Vergabe von Ad-Hoc-Stipendien der Robert-Bosch-Stiftung, die zahlreiche preisgekrönte Projekte und Artikel hervorgebracht hatte.
Doch ganz unmöglich ist es nicht, dass ein SMC unsere Berichterstattung ohne Nachteile für Redakteure wie frei arbeitende Kollegen verbessern könnte. Die Chancen dafür schätzt die TELi mit Blick auf den aktuellen Medienmarkt aber als gering ein.
Diskussion erwünscht:
Da das SMC-Konzept derzeit noch aktiv diskutiert wird, ist jede und jeder eingeladen, seine Meinung zu diesem Thema an dieser Stelle zu äußern. Natürlich können auch weitere Argumente für „Pro“ und „Contra“ ergänzt werden.
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