by Hanns-J. Neubert | 21. Februar 2014 22:26
Schwindel, Übelkeit, Konzentrationsstörungen: Das sind nur einige der Symptome, über die einige Anwohner in der Nähe von Windkraftanlagen klagen. Mediziner und Psychologen nennen es das Wind-Turbinen Syndrom (WTS).Schuld daran soll pulsierender Infraschall sein, der von Windturbinen ausgeht. Man hört ihn nicht, aber offenbar gibt es Menschen, die den besonders tiefen Schall spüren und sehr darunter leiden.
Das menschliche Ohr nimmt üblicherweise Töne im Bereich von 15 bis höchstens 20.000 Hertz wahr. Infraschall dagegen dröhnt im Bereich zwischen 0,1 und 20 Hertz.
Während der »Wissenschaftsdebatte live« am 14. Februar 2014 in Wiesbaden, warf die Debattengruppe »Gesundheit« genau dieses Thema auf. Einer der Experten, der Lärmpsychologe Dirk Schreckenberg vom Zentrum für angewandte Psychologie, Umwelt- und Sozialforschung (ZEUS) in Bochum, erklärte, dass die Infraschall-Forschung erst in jüngster Zeit zu einem Forschungsthema geworden sei – nicht zuletzt auf Grund von Anwohnerklagen aus der Nähe von Windkraftanlagen. Das Problem werde sehr ernst genommen, meinte er.
Die größte Schwierigkeit bei der Wahrnehmung und Messung von Infraschall ist, dass weder die Richtung und noch die Quelle der nervigen Schallwellen genau bestimmt werden kann. Infraschall ist praktisch allgegenwärtig, und Windkraftwerke nur eine unter vielen Ursachen.
Die größte natürliche Quelle von Infraschall sind beispielsweise die Meereswellen, wenn sie am Strand brechen. Genau dieses Geräuschsprektrum empfinden aber die meisten Menschen sogar als angenehm.Am nächsten liegen im wahrsten Sinne des Worte aber die Quellen in modernen Haushalten: Vom Ölbrenner und der Pumpe der Zentralheizung über den Kompressor im Kühlschrank bis zu den neuesten Stereoanlagen und Fernsehern reicht das Spektrum der unhörbaren Tiefdröhner, die sich durchaus gesundheitlich auswirken können.
Die Wohnungen und Häuser selbst können je nach Bauweise tiefen Schall zusätzlich verstärken. In den Innenräumen entstehen dann so genannte »Stehwellen«, die sich überlagern und besonders stark direkt vor einer Wand oder in Zimmerecken spürbar sind.
Zusätzlich dringt Infraschall auch noch von außen in die Wohnungen. Neben Windkraftanlagen sind es Dieselmotoren, öl- und gasbefeuerten Heizkraftwerke, Lüftungsanlagen, lange Autobahnbrücken, Hochspannungsleitungen, ja sogar elektrischen Umspannstationen, die tiefe Töne erzeugen.
Ob es wirklich der unhörbare, aber fühlbare Schall moderner Windmühlen ist, der die Gesundheit beeinträchtigt, ist international in der Wissenschaft noch sehr umstritten. Es ist einfach viel zu schwierig – und oft auch nicht zutreffend – eine gesundheitliche Beeinträchtigung auf nur eine einzige Ursache zurückzuführen. Hinzu kommt, dass gerade bei nicht genau zu klärenden Quellen auch der sogenannte Nocebo-Effekt eine Rolle spielen könnte. Dabei löst allein die Angst vor einer Krankheit diese erst aus.
Das deutsche Umweltbundesamt jedenfalls möchte die Bevölkerung auch vor Infraschall-Lärm schützen. Weil es sich dabei aber nur auf sehr wenige umweltmedizinische Studien stützen kann, vergab es 2011 ein Forschungsvorhaben zu dieser wichtigen Thematik. Die ersten Ergebnisse werden noch in diesem Jahr (2014) erwartet.
Quellen:
Englischsprachige Fachliteratur:
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