… und wie hältst du‘s mit der Impfung?

Das war die Gretchenfrage von Lora Wissenschaft-Kontrovers im März 2021. Kritik am Impfschneckentempo? Bedenken gegen Impfung? Absolut dagegen? Diese aktuelle öffentliche Debatte griff die Sendung auf. Mit dem Moderator und Biologen Günter Löffelmann diskutierten – generationenübergreifend – Lisa Popp, ebenfalls Biologin und Vertreterin der jungen Erwachsenen, sowie Wolfgang Chr. Goede, Wissenschaftsjournalist, der mit Lebensalter und Vorerkrankungen sich für die zweithöchste Impfprioritätsstufe qualifiziert. Statistische Ausgangslage der Sendung: Anfang des Monats hatten 59 Prozent der Deutschen ihre Bereitschaft zur Impfung bekundet, 17 ein „wahrscheinlich ja“ angegeben, 9 Prozent ein „wahrscheinlich nein“, 12 Prozent „auf keinen Fall“. Wie erklären sich die Zahlen, ist Skepsis der Bürgerïnnen berechtigt – eine deutschlandweite Covid-19 Immunität überhaupt erreichbar?

Impfen—ja oder nein?

Lisa begrüßte die zahlreichen Informationsquellen zur Impfung. Sie helfen, sich ein eigenes Bild zu machen. Gleichwohl sie selbst als Fachexpertin sich derzeit mit dem komplexen molekularbiologischen Thema noch überfordert sieht, die Wirkweise der verschiedenen Impfstoffe weder ausreichend versteht noch bewerten kann. Als Impfskeptikerin sieht sie sich allerdings nicht. Lisa bedauert nicht, nicht vorne bei den Impfanwärtern zu stehen, sondern in einer langen Warteschlange. Sie äußert Verständnis für die begrenzten Ressourcen. Die Wartezeit werde ihr helfen, ein klareres Bild zu gewinnen. In der Zwischenzeit werden die rasant schnell entwickelten Impfseren bestimmt weiter ausreifen.

Wenn die Gelegenheit käme, würde Wolfgang sich sofort impfen lassen und bestehende Risiken akzeptieren. Er äußerte Verständnis für die Impfgegner und zitierte den großen Aufklärer Voltaire, der Impfungen als Eingriff in die Natur ablehnte. Wie bereits geimpfte Bekannte bezeugen, kann die Impfdosis erhebliche Nebenwirkungen auslösen. Er bedauert, dass die Impfdebatte Verschwörungsideen Tür und Tor geöffnet hat, etwa der, dass Datenkraken damit in die Genetik von Menschen eingriffen. Diese Verdummung müsse gezielt bekämpft werden. Insgesamt sei eine gesunde Skepsis gegenüber der Impfung angebracht, auch ob sie der Pandemie und Mutanten der Viren wirklich Einhalt gebieten könne – oder nur psychologisches Trostpflaster sei.

Experten oder Politik – wer sollte den Kurs bestimmen?

In Wolfgangs Sicht bilden die Wissenschaftsexperten eine Überregierung. Sie destillieren aus epidemiologischen Daten die Lockdown-Maßnahmen und die Politik gießt sie in Erlasse. Für ihn müssten Bürgerïnnen und Bürgerwissenschaft/Citizen Science viel mehr beteiligt werden in einer Dreierkonstellation aus Wissenschaft-Politik-Bürger. Damit ließe sich auch für die Impfung mehr gesellschaftliche Akzeptanz gewinnen, zudem schwer  nachvollziehbare Maßnahmen korrigieren, wie das Kulturverbot bei wenig eingeschränktem Flugverkehr. Auch das kompromisslose Schließen des Einzelhandels sei nicht begründbar. Das alles sei Wasser auf die Mühlen von Misstrauen, vor allem Impfgegnerschaft.

Lisa befürwortete das Eingreifen wissenschaftlicher Experten in die Politik. Forschungsinstitute, besonders die Charité und deren Leiter Drosten, genießen ihr Vertrauen. Kommunikation zu dem Thema sollte von Fakten leben. Bei einigen Profis macht sie deutlich Abstriche, besonders wenn sie emotional auftreten. Den Corona-Maßnahmen-Kritiker Bhakdi findet sie zu aufgebauscht.

Insgesamt stimmte die Runde darin überein, dass die Impfung ein Instrument der Politik, sogar Nationalismus geworden sei. China, neuerdings auch Kuba exportieren ihre Seren und bauen damit ihren Einfluss in der internationalen Staatengemeinde aus. Russlands Impfstoff „Sputnik“ erinnert Günter an den Wettlauf der Großmächte im Weltall. Wolfgang sah mit den hohen Impfraten in etwa USA und England eine Dominanz des Globalen Nordens über den Globalen Süden, erneut Ausdruck von Ungleichgewicht und Ungerechtigkeit zwischen beiden Weltsphären.

Impfpflicht und Privilegien für Geimpfte?

Lange Diskussionsschleifen um Pro und Contra der Impfung kurzschließend, hat die autonome spanische Provinz Galizien die Impfpflicht eingeführt. Impfchampion Israel lockt seine Bürgerïnnen mit einem Grünen Reisepass. Günter machte auf Hotelketten aufmerksam, die nur Geimpfte als Gäste zulassen. Der Königsweg zur erwünschten Herdenimmunität? Für deren Erreichen müssen mindestens 70 Prozent einer Bevölkerung geimpft sein, so der renommierte US Epidemiologe Anthony Faucci.

Für Lisa lässt sich die Impfung Menschen nicht aufzwingen. Sie plädiert für Aufklärung mit Argumenten, unterfüttert von Kampagnen. Wenngleich sie auch Verständnis dafür äußert, dass ein Café mit dem Zulassen von Geimpften öffnen und damit seine Existenz retten könnte. Ähnlich bewertet die Frage Wolfgang, der in Impfpflicht und damit ausgelobten Privilegien die Handschrift autoritärer Staaten mit wenig Respekt für Menschenrechte wie etwa China sieht. Nichtsdestotrotz müsse die Frage erlaubt sein, ob zu viel Demokratie und individuelle Freiheit effektives Krisenmanagement nicht lähme.

Resümee: Spagat zwischen Sicherheit und Wirksamkeit

Nach 60 Minuten Sendezeit der Vorhang zu—und wie so oft viele Fragen offen. Günter fasste den Inhalt so zusammen, dass auch er der Impfung positiv gegenüberstehe, wenn auch mit mehr Bedenken als die beiden Gäste. Impfsicherheit ja, sie bestehe, während die Wirksamkeit derzeit noch offenbleibe.

Die Lora-Sendung Wissenschaft Kontrovers „Corona-Impfung—Ja oder Nein—Entscheidungshilfen“ März 2021 lässt sich nachhören unter:

https://www.freie-radios.net/107763

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Ein Gedanke zu “… und wie hältst du‘s mit der Impfung?

  1. Nein, liebe Radiomacher, so schnell wird es nicht zu Ende gehen mit Corona. Selbst wenn es so etwas wie eine „Herdenimmunität“ geben sollte, so wird Corona immer wieder aufflackern. Es sei denn, man macht es wie China oder Australien: Wenn in einer Stadt auch nur ganz wenige Corona-Fälle auftreten, gibt es einen Lockdown – aber eine richtigen.

    Schaut dazu mal hier bei ScienceCom.

    Zum obigen Protokoll der Sendung
    (Danke übrigens für die regelmäßige Zusammenfassung Eurer Sendungen hier auf der Wissenschaftsdebatte)

    — Für ihn [Wolfgang] müssten Bürgerïnnen und Bürgerwissenschaft/Citizen Science viel mehr beteiligt werden in einer Dreierkonstellation aus Wissenschaft-Politik-Bürger.

    Was sollen die denn konkret tun? Sie könnten sich höchstens für Studien zur Verfügung stellen. Oder in Israel Daten liefern.

    — Damit [Bürgerïnnen und Bürgerwissenschaft/Citizen Science] ließe sich auch für die Impfung mehr gesellschaftliche Akzeptanz gewinnen, zudem schwer nachvollziehbare Maßnahmen korrigieren, wie das Kulturverbot bei wenig eingeschränktem Flugverkehr. Auch das kompromisslose Schließen des Einzelhandels sei nicht begründbar.“

    Das überschätzt Ihr aber den Einfluss der wenigen Bürgerwissenschaftlerïnnen/Citizen Scientists. Es wäre viel wichtiger, den Wissenschaftsjournalisten mehr Raum zu geben. Die können den großen Rahmen und die Querverbindungen beschreiben, die wissenschaftlichen Einzelerkenntnisse und -diskussionen in die richtigen Zusammenhänge bringen. Die „Tagesschau“ hat Experten, die wirtschaftliche Entwicklungen erläutern (z.B. Anja Kohl) oder die Auswirkungen von Gesetzesvorhaben und Gerichtsurteilen zusammenfassen (Frank Bräutigam). Die zahlreichen Chefredakteure kommentieren normalerweise die Politik, aber wenn es um Wissenschaft geht, denken sie, dass auch wissenschaftlicher Erkenntnisse „Meinung“ sind. Nie war Ragna Yogeshwar in der Tagesschau, nie Mai Thi Nguyen-Kim (hier oder hier) – oder als Corona-Expertinnen die bekannten Drosten- und Ciesek-Interviewerinnen vom NDR, Korinna Hennig, Anja Martini oder Beke Schulmann.

    Kritisiert hat das ja schon vor einer ganzen Weile Ragna Yogeshwar aus seinem Wohnzimmer heraus.

    — Impfchampion Israel lockt seine Bürgerïnnen mit einem Grünen Reisepass.“

    Nicht nur damit! Auch mit Freibier und kostenloser Pizza! Israel als Vergleichsland heranzuziehen und als „Champion“ zu bezeichnen ist unfair. Schließlich haben die in einem Deal mit den Impfserumherstellern die Herausgabe von privaten Daten vereinbart – quasi eine Neun-Millionen-Citizen-Science-Studie mit Einbeziehung aller Bürger. Meinst Du das mit „Bürgerwissenschaft“?

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