Die Aschewolke – ein Phantom?

by Wolfgang Goede | 19. April 2010 07:44

Blutrot hat sich gerade die Sonne über den Horizont geschoben – röter als noch vor einer Woche? Es ist 6.30 Uhr Montag früh und für Viele beginnt eine Woche des Bangens: Werden sie, oder werden sie nicht? Auch in unserer Branche sind Manche für ihre Recherchen auf Flugzeuge angewiesen, welche seit Freitag traurig auf dem Boden stehen. Reisepläne und wichtige Termine sind gecrasht, ein wirtschaftlicher Schaden von bisher weit über eine Milliarde Euro, ein größerer Stillstand als nach 9/11 – aber ein großes Fressen für die Presse.

Seit Freitag wird zunehmend über nichts anderes geschrieben, gesprochen, gesendet. Dabei muss der „Welt“ ein großes Lob ausgesprochen werden. Während einige Tageszeitungen am Freitag trotz des News-Knüllers wie gewohnt ziemlich verschnarcht daherkamen, waren die Welt-Kollegen voll auf das Thema aufgesprungen, hatten den Politikteil freigeräumt und dem Vulkanthema höchste Priorität gegeben. Neben dem Aufmacher quoll auch die Seite 3 davon über, dann, jetzt kommt’s: Seite 4 und 5 voll mit feinster Wissenschaft, wie die Feuerberge Kulturen und Zivilisationen zu Fall gebracht haben, die Auswirkungen der Wolken auf unser Wetter, etwa auf den Sommer, vieles mehr.

Was hatte „text intern“ am 24. März geschrieben? „Wissen ist das Megathema heute, mehr noch als Politik“, sagte dort P.M. Herausgeber Hanns-Hermann Sprado. Die „Welt“ setzt es um.

Übers Wochenende wurde es aber ungemütlich. Weiterhin Flugverbot, obwohl die Lufthansa Überführungsflüge durchführte, ohne dass die Maschinen auch nur ein Kratzerchen davon getragen hätten. Im Radio läuft gerade die „Bayern 2 Morgenwelt“, sie dreht sich nur um ein Thema, allerdings ziemlich ohnmächtig: ein Vulkanologe floppt, hat keine Ahnung von Aschewolken, ein Meteorologe will von Flensburg bis zur Zugspitze keine Wolke gesichtet haben, hechelt die Flugsicherung einem Phantom hinterher?

Wo bleibt hier der investigative Wissenschaftsjournalismus, wer fragt mal kritisch nach, welche Kollegen machen einen Selbstversuch und fliegen mit der LH oder einem anderen Jet bei einem Testflug mit, wer äußert Zweifel an den Messstandards, wer gräbt alternative Stimmen und Wissenschaftler aus, wie sehen das Thema andere Länder (warum fliegt Österreich, Bayern aber nicht??), andere Kontinente?

Ein journalistischer GAU, wenn alle einer Massensuggestion erlegen wären, aber vielleicht kommt ja keiner dahinter, weil keiner richtig fragt: Alle wie die Kaninchen vor der Schlange. Hier sind mutige und unkonventionelle Journalistengeister gefragt, die frische Töne und Farben in die Debatte bringen, nicht nur hilflose Experten fragen!

Bestimmt auch ein Thema für die TELI-Wissenschaftsdebatte!

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