Schreiben für das Internet geht anders. Nicht zu vergleichen mit Print. Im Web gilt: Teaser statt Lead, Struktur statt Rythmus. Und vor allem Kürze: Lange Texte liest im Internet kaum jemand. Print-Autoren müssen umdenken. Hier ein paar Tipps.
Die meisten Autoren, die hier schreiben, sind gute Journalisten und Autoren – für Printmedien oder gar für Bücher. Im Internet gelten andere Regeln, um Leser einzufangen:
- 80 Prozent der Internet-Leser überfliegen die Texte nur.
- Das Lesen von Bildschirm-Texten ist um 25 Prozent langsamer, als das Lesen von Texten auf Papier oder mit den speziellen E-Book-Readern.
- Mehr als 20 Prozent der Wörter eines Online-Textes liest ohnehin kaum jemand.
- Die meisten Leser springen schnell von einem Browserfenster zum nächsten, sie »zappen«.
- Gerade junge Leser können sich nicht mehr über längere Zeit hinweg auf einen Text oder ein Thema konzentrieren.
Wie können Web-Autoren diese Lesegewohnheiten für sich nutzen, um ihre Botschaft trotzdem rüberzubringen? Was können sie tun, um mehr gelesen zu werden, damit sich ihre Gedanken und Ideen im Netz ausbreiten?
Themen
Überschrift und Teaser
Lauftext und Struktur
Suchmaschinenoptimierung (SEO)
Links und Fußnoten
Bilder und Videos
Überschrift und Teaser
Überschrift und Teaser sind eine Einheit, die (fast) die gesamte nachfolgende Geschichte erzählen. Die Überschrift sollte einzeilig sein, also nicht umbrechen; keinesfalls länger als 60 Zeichen.
Der zugehörige Teaser muss locken, soll Lust auf mehr machen. So viel Lust, dass der Leser zu einer eigenen Aktion veranlasst wird, nämlich dem Weiterklicken.
Ein Teaser ist kein Lead! Der bei Printmedien übliche Lead muss nicht zu einer Aktivität animieren. Er kann deshalb eher die Zusammenfassung dessen sein, was den Leser beim folgenden Textes erwartet, der ja klar und deutlich auf dem Fuße folgt.
Beim Teaser ist das anders. Sein letzter Satz, die sogenannte Rampe, muss einen Köder für den Leser auslegen. Die meisten Artikel auf Spiegel Online beherrschen diese Technik meisterhaft und sind gute Lehrbeispiele.
Wirkungsvoll ist es, mit Gedankenstrichen und Doppelpunkten Zäsuren zu setzen. Ein Teaser sollte nicht mehr als 300 Zeichen lang sein, wobei Google nur die ersten 160 Zeichen anzeigt. Zeitliche Einstiege (»Vor fünf Tagen …«, »Im vergangenen Jahr …«), Nebensatzanfänge (»Während …«, »Weil …«), oder indirekte Rede sind verboten. Gut als Einstiege eignen sich aber beispielsweise Fragen.
Ansonsten gilt die wichtigste Print-Regel auf für online: KISS, keep it simple & short. Wen Hemingways Stakkato-Stil nicht inspiriert, findet in Jutta von Campenhausens Reader „Wissenschaftsjournalismus“ (UVK, Konstanz 2011) Anleitungen für prägnantes Formulieren:
* Kurze Sätze, höchstens ein Nebensatz (wenn überhaupt)
* ausdruckstarke Verben (die mit den roten Bäckchen)
* Sätze gnadenlos entrümpeln von der Geistes-Schlacke, also keine aufgeblähten Substantive (Dach statt Bedachung), keine Versubstantivierung und Nominalstil (prüfen statt der Überprüfung zuführen,Probleme statt Problemstellung)
Bei ihren Empfehlungen schimmert ein wenig der Meister durch. Die Autorin ist Absolventin der Nannen-Schule. Deren langjähriger Leiter, Wolf Schneider, hat einer ganzen Journalisten-Generation diese Unarten ausgetrieben. Die Deutschratgeber des Sprachpapstes, wie ihn viele nennen, sind eine ebenso amüsante wie lehrreiche Lektüre.
Campenhausen schafft es, diese Regeln in den Wissenschaftsjournalismus einzubetten. Außerdem leuchtet sie viele Konfliktzonen aus wie den Umgang mit PR, Zahlen und Kontroversen. 190 lesenswerte Seiten für alle, die sich Hettwers & Co ein halbes Kilogramm schweren Standard-Wälzer „Wissens Welten“ ersparen wollen.
Immerhin, auf 598 Seiten finden sich fünfeinhalb über „narrative style“, also Geschichten erzählen. Diese Kunst ist unterbelichtet im deutschen Wissenschaftsjournalismus. Man kann vieles gegen die Bildzeitung vorbringen, aber: Die Kolumne „Post von Wagner“ erzählt in wenigen Anschlägen immer eine kleine provokante Geschichte. Die Debattenthemen wären ein Übungsfeld.