Am 27. Mai 2022 gaben Amazon und die Max-Planck-Gesellschaft die Einrichtung des ersten deutschen Science Hubs in Tübingen bekannt.
In Teilbereichen der Künstlichen Intelligenz (KI) sollen sichere und vertrauenswürdige Konzepte für die Zukunft zu entwickelt werden. „Amazon stellt dafür im ersten Jahr knapp 700.000 Euro zur Verfügung.“
Der Rahmenvertrag zwischen der Forschungsgesellschaft und Amazon „umfasst zunächst die vier Max-Planck-Institute für Intelligente Systeme, für Softwaresysteme, für Informatik und für biologische Kybernetik und steht weiteren Max-Planck-Instituten offen“.
„Zudem erhalten Max-Planck-Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, in Form einer Nebentätigkeit bei Amazon zu arbeiten …“
Grundlagenforschung eng mit Amazon verbunden
Nicht erwähnt wird in der MPG-Pressemitteilung, dass die beiden Direktoren des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Tübingen, Michael J. Black und Bernhard Schölkopf seit Jahren eng mit Amazon verbunden sind als so genannte „Distinguished Amazon Scholars“, als besonders angesehene Amazon-Gelehrte.
In ihren Grundsätzen ethisch verantwortbarer Forschung verpflichtet sich die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) der Wissensvermehrung, dem Wohl der Menschheit und dem Schutz der Umwelt.
Amazon dagegen lässt sich von vier völlig anderen Grundprinzipien leiten, die am Ende der Presseinformation der MPG aufgezählt sind: „Fokus auf Kund:innen statt auf den Wettbewerb, Leidenschaft fürs Erfinden, Verpflichtung zu operativer Exzellenz und langfristiges Denken. Amazon strebt danach, das kundenorientierteste Unternehmen, der beste Arbeitgeber und der sicherste Arbeitsplatz der Welt zu sein. Kundenrezensionen, 1-Click-Shopping, personalisierte Empfehlungen, Prime, Versand durch Amazon, AWS, Kindle Direct Publishing, Kindle, Fire Tablets, Fire TV, Amazon Echo, Alexa, Just-Walk-Out-Technologie, Amazon Studios und The Climate Pledge sind nur einige Beispiele, für die Amazon Pionierarbeit geleistet hat.“
Max-Planck-Grundlagenforschung unterstützt kritikwürdige Modebranche
Betty Mohler Tesch, Wissenschaftlerin und Leiterin eines Forschungsteams bei Amazon Fashion, sieht als Vorteil der Zusammenarbeit zwischen Amazon und der MPG beispielsweise die Möglichkeit, „wie maschinelles Sehen genutzt werden kann, um das Einkaufserlebnis der Kunden von Amazon Fashion zu verbessern“, wie es in der Presseinformation heißt.
Wie die MPG das mit ihrer Forschung vereinbaren will, die „dem Wohl der Menschheit und dem Schutz der Umwelt“ dienen soll, bleibt ein Rätsel. Sieht sich doch gerade die Modebranche dem Vorwurf ausgesetzt, zu inhumanen Bedingungen produzieren zu lassen und für den Konsum überflüssiger Kleidung zu werben, was global gesehen der Umwelt schadet.
Nicht zuletzt gilt Amazon als ein Arbeitgeber mit besonders schlechten Arbeitsbedingungen – auch nicht gerade im Einklang mit den ethischen Grundsätzen der MPG. So hat Amazon den Mitarbeitern während der Corona-Pandemie das Tragen von FFP-2 Masken verboten, zumindest in den USA gehört das Unternehmen zu den unfallträchtigsten und in Deutschland überwacht Amazon die Aktivitäten von Greenpeace, Fridays For Future, Extinction Rebellion und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, um deren Einfluss auf das Geschäft abzuschätzen. Ohne künstliche Intelligenz dürfte das kaum zu schaffen sein.
Christoph Marischka hat die zweifelhafte Zusammenarbeit zwischen der Grundlagenforschung bei der MPG und deren Nutzung bei Amazon in seinem Artikel „Prestigeprojekt in Tübingen: Wird das Cyber Valley zur ‚Amazon City‘?„ im Webmagazin „Telepolis“ ausführlich und transparent beschrieben. Marischka ist Autor des Buches „Cyber Valley – Unfall des Wissens„.