Wie die „Brights“ nach Deutschland kamen

Ein Hochinteressantes Interview mit dem deutschen Übersetzer der kontroversen „Brights“ aus USA und UK — Dawkins, Gould und Bryson etc. — ist soeben im Freitag erschienen u.a. zu der Frage, warum irgendwie nur amerikanische Wissenschaftler den Mut haben, die Bühne der politischen Debatte, Provokation oder gar der kreativen Zerstörung zu betreten:

Die Autoren […] sind keine Wissensvermittler, die der Öffentlichkeit bloß etwas über die Wunder der Wissenschaft erzählen. Sie sind politisch motiviert, soziologisch interessiert. Und viele von ihnen scheuen die Provokation nicht, sondern suchen sie. „Das hat natürlich auch mit dem gesellschaftlichen Hintergrund zu tun, der vor allem in den USA weit fundamentalistischere Strömungen zeigt“. [Zitat des interviewten Übersetzers, Sebastian Vogel] Und auf den groben Klotz [sic] käme dann eben ein grober Keil.

Dass es hierzulande weit weniger Provokation oder gar „kreative Zerstörung“ tradierter Denkschulen gibt, dürfte daran liegen, dass Wissenschaft grundsätzlich nicht so politisch ist / sein will / sein soll / sein darf wie etwa in den USA. In punkto „Medialisierung“ der Wissenschaft sind wir zwar schon dabei gleichzuziehen mit der amerikanischen Academia (so sehr man beim Vergleich dieser beiden doch so unterschiedlichen Systeme vorsichtig sein sollte); bei der „Politisierung“ der Wissenschaft allerdings sind wir fast noch auf der Stufe der „Trennung von Kirche und Staat“ (übertragen auf die Forschung).

Insofern ist die Suche nach einem „deutschen Dawkins“ meiner Ansicht nach eine systemische Frage des Selbstverständnisses deutscher Wissenschaftler. Wie zum Beispiel der Klimaforscher Stefan Rahmstorf gerade erleben durfte, bewegt man sich durch engagierte öffentliche Wissenschaft schnell auch an der Grenze zur Agitation (zumindest aus Sicht vieler Wissenschaftsjournalisten) — siehe hierzu die jüngste Aufmachergeschichte in der Verbandszeitschrift der WPK.

Auch hier ein Vergleich: Die „Science Debate“ als größte politische Bewegung in der jüngeren Geschichte der USA (für die es übrigens 2012 ein deutsches Pendant geben soll; Hintergrund siehe hier) war getrieben von dem Bedürfnis der Wissenschaft, das „Monopol der Wahrheit“ nicht einfach so auf dem Altar politisch-religiöser Dogmen zu opfern. Siehe dazu das gerade eben erschienene Buch „Fool me Twice“ des geschätzten Kollegen Shawn Otto. Wäre das nicht, lieber Herr Vogel, prädestiniert für eine Übersetzung durch Sie in der Reihe der „Brights“? 😉

ZUSATZ:
Prominente Vertreter der o.g. „Brights“ sind der Philosoph Daniel Dennett, die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Margaret Downey, der Zauberkünstler James Randi, der Psychologe Steven Pinker, der Biologe Richard Dawkins, der Biochemiker Richard John Roberts, der Physiker Sheldon Glashow, der Wissenschaftsjournalist Michael Shermer, der kanadische Arzt Henry Morgentaler, der belgische Physiker Jean Bricmont[16] und der deutsche Philosoph Michael Schmidt-Salomon. [Quelle: Wikipedia]

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4 Gedanken zu “Wie die „Brights“ nach Deutschland kamen

  1. … und die Folgen, wenn sich ein solch abstruses Berufsverständnis auch bei den Journalisten […] durchsetzte?

    Dann würden hier auch bald so „grobe Keile“ die Meinung bestimmen wie in den USA. Dort erobern ihre Doktrinen zunehmend Printmedien und Sender ähnlich FoxNews nebst Konsorten und schüren ideologische Zwietracht in Denken und Meinungen ihrer jeweiligen Klientel. Ohne Rücksicht auf fremdes Sinnen, Wissen, Logik, Vernunft und alles Andere, auf Korrektheit und Objektivität, ja, auf jeglichen Anstand. Und das in einem seinerzeit bewundernswerten Volk, das uns Deutschen unter großen Opfern nach äußerst intoleranten Zeiten zu Toleranz und Demokratie verhalf – sogar mit nachhaltigem Erfolg.

    Bis dann doch die Pofallas den Weg durch die Strukturen schafften, inzwischen gar als Minister am Kabinettstisch sitzen und trotz ihren Ausfällen auch noch bleiben dürfen!

    Passen wir also lieber auf, lernen von unseren Vorvätern und wehren den Anfängen! Alle, und nicht nur wir Journalisten!

  2. Vorsicht – keinen Sand in die Augen streuen lassen! Die Brights vertreten
    eine rein naturalistische Weltanschauung und propagieren in der
    Öffentlichkeit ein entsprechendes Weltbild. Mit hehrer Wissenschaft hat das
    wenig zu tun, vielmehr veranstalten sie als fundamentale Atheisten eine
    öffentliche Hetzjagd auf alles, was irgendwie mit Religion, Spiritualität,
    Mystik oder alternativen Heilmethoden zu tun hat.

    Hier in […] stehen viele Menschen aus meinem Umfeld auf
    homöopathische Arzneien. Ich als Chemiker bevorzuge dagegen eher die
    „Segnungen“ der Pharmaindustrie. Gehe ich deswegen auf die anderen zu und
    sage „vergesst die Homöopathie, das ist Hokuspokus?“ Nein – so vermessen bin
    ich nicht, weil die Schulmedizin längst noch nicht alles erklären kann. Das
    gilt auch für das Lehrbuchwissen generell. „Die Naturwissenschaft ist nicht
    auf die Mystik angewiesen und die Mystik nicht auf die Naturwissenschaft –
    doch die Menschheit kann auf keine der beiden verzichten“, so hat es Fritjof
    Capra in seinem Buch „Das Tao der Physik“ einmal formuliert.

    Fazit: Für mich sind die „ach so hellen Brights“ absolut kein Thema.

  3. Einerseits kann in Amerika sicher jeder sagen, was er will – das ist richtig. Und das geht soweit, dass es regionale „Bücherverbrennungen“ gibt. Da werden Harry Potter und Co. als „Hexenwerk“ verteufelt.

    Andererseits sollte man sich – unabhängig von diesen „Brüdern“ – einmal die Frage stellen, warum es in Deutschland fast keine Wissenschaftskritik gibt. Meine Universität ist die einzige mir bekannte Uni in Deutschland, die das Fach „Wissenschaftskritik“ fest in ihrem Lehrplan verankert hat UND als Pflichtfach ausschreibt.

    Zur Beantwortung der Frage: Unsere Zeitarbeitskräfte, genannt Wissenschaftler, halten wohlweislich den Mund, um ihr nächstes Projekt von der DFG – oder wem auch immer – finanziert zu bekommen. In Amerika läuft Wissenschaft ein wenig anders. Dort genießt der Wissenschaftler per se mehr Ansehen. Dort ist er kein Wegwerfartikel.

  4. Offenbar ist das Spannungsfeld „Wissenschaft und Glaube“ nach wie vor besonders heikel, denn mich haben seit gestern gleich mehrere E-Mails erreicht, die ich an dieser Stelle gerne pseudonymisiert als Kommentare einbringen möchte… (s.u.)

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