Thesen zur Lärmwirkungsforschung

von Dirk Schreckenberg (ZEUS GmbH)

Dirk Schreckenberg
Foto: Neubert

Die Lärmwirkungsforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Erkenntnisse zu psychischen als auch physischen Wirkungen akuter und chronischer Geräuschexposition erlangt. Es existieren Expositions-Wirkungsbeziehungen für erlebte Störungen und Belästigungen, für die Beeinträchtigung der Schlafqualität und – insbesondere bei Kindern – zum geistigen Leistungsvermögen. Körperliche Stressreaktionen bei akuter Geräuscheinwirkung sind untersucht, und insbesondere in den letzten Jahren ist die wissenschaftliche Evidenz statistischer Zusammenhänge zwischen langfristiger Lärmexposition und chronischen Erkrankungen stark gewachsen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirkung von Lärm wurden in vielen Studien zu oftmals losgelöst voneinander betrachteten Einzelthemen gewonnen, mit der Folge, dass im Detail teilweise Interpretationsschwierigkeiten auftreten, die in Fachkreisen zu kontroversen Debatten führen.

Offene Fragen beziehen sich u.a. auf

  • die Wechselbeziehungen zwischen psychischen und physischen Wirkungsbereichen von Lärm;
  • die psychische und physische Wirkung des kombinierten Einwirkung von Lärm verschiedener Lärmquellen (Mehrfachbelastung);
  • die Wahl wirkungsgerechter Maße der Geräuschexposition;
  • die Identifizierung und Einordnung von zusätzlichen akustischen wie nicht-akustischen Einflussgrößen, die
  • die Lärmwirkungen mit bestimmen;
  • die Übertragbarkeit von Lärmwirkungsergebnissen auf unterschiedliche Standorte, Geräuschquellen, Rahmenbedingungen (z.B. Tageszeit), auf Situationen mit (persistenter) Änderung in der Geräuschexposition;
  • auf die Wirkung von Maßnahmen zur Minderung des Lärms.

Erkenntnisse der kausalen Komponenten und ihres Zusammenhangs in der Lärmwirkungskette sind Basis für eine effiziente, nachhaltige Gestaltung von Lösungen zur Minderung des Lärmproblems. Künftig bedarf es neben der Fortführung von Einzelstudien einer ganzheitlich angelegten, interdisziplinär ausgestalteten Lärmwirkungsforschung, die durch kontinuierliche langfristige Bearbeitung, frei und unabhängig von spezifischen Interessenslagen zu einem breiten Erkenntnisgewinn beiträgt. Dazu sind Forschungsressourcen – unter finanzieller Förderung durch die öffentliche Hand bzw. Wissenschaftseinrichtungen, in Federführung durch das Bundesforschungsministerium und flankiert durch Einrichtungen wie z.B. der Deutschen Forschungsgemeinschaft – zu bündeln und zu verstärken.

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Ein Gedanke zu “Thesen zur Lärmwirkungsforschung

  1. Die Lärmwirkungsforschung zum Verkehrslärm leidet am stärksten darunter, dass sie im Bundesverkehrsministerium angesiedelt wurde und rein haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten unterliegt. Dadurch wurde sie zu einer Forschung der Rechtfertigung haushaltpolitischer Schritte und Maßnahmen, wozu sich insbesondere die Psychologie bestens eignet. Herausragende Ergebnisse solcher Forschung sind der Schienenbonus, die A-Bewertung, der Bestandsstreckenschutz und der Mittelungspegel, also alles was verhindern soll, dass die menschliche Gesundheit in diesen Betrachtungen eine Rolle spielt.
    Es gelingt, indem man die Zweifel an der im Einzelfall schlecht nachzuweisenden Wirkungskette von störendem Schall bis Erkrankung nährt, und das ganze mehr oder weniger als eine „Einbildung der Betroffenen“ darstellt – ganz nach dem Motto: „Herr Doktor der Simulant von Zimmer 113 ist gestorben!“ – „Na jetzt übertreibt er aber!“

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