Bayern setzt Zeichen für Dialog und Austausch der Wissenschaft mit Bürgerinnen und Bürgern. In “Campus2Public” (two/to=zu) kommt der Forscher zum Menschen wie Du und Ich. Die Wissens-Leuchttürme sollen nicht so weit weg, sondern mitten unter uns strahlen, sagte in seiner Anmoderation Dr. Ralf Schneider namens der Veranstalter, TH Nürnberg Georg Simon Ohm sowie Deutsches Institut für Forschungskommunikation (DIF), München.
WissKomm & WissJourn ergänzen sich
Die Initiative wird von der Bayerischen Staatsregierung mitgetragen, auch finanziell, wofür der auf dem Panel mitanwesende CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper, Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, Dank entgegennahm.
Professor Markus Kaiser, Dekan der Fakultät Mathematik und Physik an der Ohm-TH (benannt nach dem Elektrizitäts-Pionier), zuvor auch als Journalist tätig, unterstützte die Funktion des Journalismus als kritische Stimme und sagte, dass beide, Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus einander nicht ausschlössen, sondern ergänzten. Hierum drehte sich das Pressegespräch.
Als Special Guest mit auf dem PresseClub-Podium saß Professor Dr. Wolfgang M. Heckl, Professor für Experimentalphysik an der TU München (TUM) und Begründer des Lehrstuhls Wissenschaftskommunikation, von 2004 bis 2025 CEO des Deutschen Museums. Zeitgleich mit seinem Ausscheiden in den Ruhestand im Mai beging die Münchner Museumsinsel ihr 100. Jubiläum, gleichzeitig mit dem 100-millionsten Besucher.
„So einfach wie möglich – aber nicht einfacher“
Heckl, preisgekrönter Kommunikator, trug Reflexionen, Zitate, Bonmots zur C2P Premiere bei. Die alle zeigen, dass er als frischgebackener Pensionär nicht unterm “Empty Desk Syndrome” leidet, nicht wie Loriot in „Pappa ante portas“ panisch Massen von Senf einkaufen geht, sondern mit mannigfaltigen Engagements und Projekten wie Science & Art weiterhin Leidenschaft für die Profession und allem rund herum versprüht. Sein Buchklassiker Die Kultur der Reparatur feiert gerade Premiere in Seoul.
Er plädiert für Dialog, Austausch, Brückenbau, auch als wichtiges Werkzeug der Demokratie, denn: “Wer nicht versteht, kann nicht mitreden.” Abhilfe, unterlegte er, verspricht Einstein: „Man soll die Dinge so einfach wie möglich machen”, aber “nicht einfacher”.
An diesem ersten August, erster Ferientag, blitzte im gut besuchten PresseClub auch Königsberg beim Münchner Leuchtturm-Event auf: Der große Kant mit “sapere aude”, dem Mut, sich seines Verstandes zu bedienen – Wissen, Verstehen, vor allem Begreifbar-Machen sind die Voraussetzungen dafür, so Heckl.
Vom Staunen zur Wahrheit
Die aktuelle Wissenselite kam bei ihm nicht ganz so gut weg. In Deutschland ist das Von-oben-nach-unten Dozieren Tradition (anders als bspw. in England, wo von jedem Forscher „Public Outreach“ erwartet wird, quasi auf dem Markplatz, sogar im Pub). O-Ton Heckl: “Wir sind ein akademisch gebildetes Volk – aber wenn der Laie nicht versteht – Bäääh!”
Insgesamt versteht er sich in der Tradition des von ihm verehrten Begründers des Deutschen Museums, Oskar von Miller, der einen Hybrid aus “Volksbildungsstätte und Oktoberfest” visionierte.
Heckls Zugang zu Wahrheitsfindung und Lernprozessen: Absolute Wahrheit ist eine Fiktion, wohingegen es nur die relative gibt, die sich durch forscherische These-Antithese-Synthese an das, was Gesetz ist, sozusagen heranschleicht (im Popperschen Sinne). Mit anderen Worten: Wir irren uns empor.
Wissensvermittlung und Begreifen ist ein emotionaler Vorgang. Heckl, der als kleiner Bub beim Auseinandernehmen eines Radios von der Wissenschaft geküsst wurde: “Wenn wir die Menschen zum Staunen bringen, erwächst daraus Neugier” und daraus der Wunsch, mehr wissen zu wollen und den Phänomenen von Natur und Mensch-Sein auf den Grund zu gehen, was letztlich unzählige wissenschaftliche Karrieren und Durchbrüche inspirierte*.
Ja, die S-Bahn …
Beispiel Röntgenbilder. Durch reinen Zufall entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen 1895 beim Experimentieren eine seltsame Strahlung, der er, staunend neugierig geworden, nachging und die am Ende als X-Strahlen in die Wissenschafts- und Medizingeschichte einging. Derlei Grundlagenforschung, die weder abruf- noch programmierbar ist, sondern nur in einer unter wenigen Zwängen stehenden Forschungslandschaft sich entfalten kann, ist die Mutter allen zivilisatorischen Fortschritts.
Heckls Schlusswort, unisono von C2P-Promotoren und Publikum begrüßt: Nur wenn wir einen zum Staunen verführenden Spirit kultivieren, bleiben wir auch international wissenschaftlich-technologisch wie auch gesellschaftlich wettbewerbsfähig und in der Weltliga. Als ob den Maestro die S-Bahn unterm PresseClub am Marienplatz vernommen hätte. Bei der Heimfahrt war sie auf die Minute pünktlich – sonst wie überall im deutschen Schienennetz zunehmend ein Lotteriespiel.
*) Staunen lassen, neugierig machen auf Wissen, insgesamt „unlangweilig“ sein, so einst sein Werbeslogan — das war auch die Gründeridee vom P.M. Magazin, Peter Moosleitners interessantes Magazin, das mit internationalen Editionen in Frankreich, Spanien, Italien, Polen, über Europa und Lateinamerika bis Asien Geschichte im Wissenschaftsjournalismus und der breiten Kommunikation von Wissen, Forschung, Wissenschaft an sich schrieb.
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Deutsches Inst. f. Forschungskommunikation GmbH DIF
Von Heckl empfohlende Lektüre zum Weiterlesen >>
Marc-Denis Weitze, Wolfgang M. Heckl: Wissenschaftskommunikation. Schlüsselideen, Akteure, Fallbeispiele. Springer Spektrum


