Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat drei – dichten die Science Buster, nämlich drei dann, wenn die beiden Enden zu Ende gegessen sind. Ja, bei der österreichischen Wissenschafts-Truppe mit dem erwartbaren Schmäh muss man sich live wie auch in print auf rhetorische Purzelbäume gefasst machen, die manchmal richtig lustig sind, manchmal auch ein wenig bemüht. Wiener Schmäh, halt.
Mephisto, erster Alien
Gut, in ihrem neuen Buch Aus!, mit einem Lichtschalter auf violettem Hintergrund und schrillrosa Schrift auf dem Cover, versuchen zwölf Buster-Autoren mal wieder die engen wissenschaftlichen Konventionen zu sprengen. „Die Wissenschaft vom Ende“, gerahmt von einem Präludium im Himmel und einem Abgesang in der Hölle, dazwischen strukturiert von den Kapiteln „Endlich“, „Unendlich“, „Endlich Unendlich“. Das ist schon mal ganz schön einladend.
Absolut vergnüglich wie das Buch mit dem Engel-Himmel-Kult aufräumt, Goethes Mephisto in den Rang des allerersten Aliens einrückt, die Hölle für gegenstandslos erklärt. Dies nicht nur, weil mit Shakespeare ja alle Teufel bereits auf der Erde versammelt seien (derzeit vermutlich im 24/7 Stress) und der Himmel mit einem „immerwährenden Verwandtschaftstreffen“ beim weihnachtlichen Friedens- und Liebesfest gleichgesetzt wird, gipfelnd in dem Schlusssatz: „Wenn das der Himmel sein soll, nicht auszudenken, wie … die Hölle ausschauen muss.“
Ewigkeit, im Himmel oder der Hölle – soo absurd. Mittelalterdenke, irrational, bestenfalls märchenhaft. Aber Ewigkeit ist auch naturwissenschaftlich eine Fiktion. Und genau das versuchen die Autoren nachzuweisen, faktisch mit humoristischem Durchschuss.
Wer ist die „gelbe Sau“?
Da kommt natürlich zunächst einmal das Schicksal der Erde ins Visier. Ganz egal, wie auch immer wir Menschen sie quälen sollten mit unserem Homo-faber-Getue, des Weiteren allen Vulkanausbrüchen und Meteoriten zum Trotze, selbst ein Crash mit einem mondgroßen Körper reicht nicht zur Vernichtung – Erde, du wirst durchhalten. Dein natürliches Ende kommt erst in fünf Milliarden (5 x 10 hoch 9) Jahren, wenn der Brennstoff der Sonne zur Neige geht, sie sich zur Supernova aufbläht und ihr blauer Begleiter von einem superheißen Staub aufgefressen wird.
Aber auf dem Mars könnten wir überleben und von dem roten Nachbarplaneten aus wäre das Schauspiel zu verfolgen, wie bei einem Live-Blockbuster, natürlich Popcorn-futternd, versüßen/versalzen die Busters uns diese nicht-biblische Apokalypse. Die unser bisher so verlässlich strahlendes Zentralgestirn gerne auch mal „gelbe Sau“ titulieren.
Das heimische Supernova-Szenarium wurde vielfach beschrieben, macht uns aber unsere amöbenhafte Unbedeutendheit immer wieder spürbar. War aber bisher wenig erfolgreich, den Machtwahn und die Hybris mancher Zeitgenossen anzuleinen …
Wir Menschen, Legokunstwerke
Angesichts dieser kosmischen Zwangsläufigkeit: Unser Leben ist endlich. Selbst auf kürzere Sicht, falls wir irgendwann 150 Jahre erreichen sollten: Leben bleibt immer endlich. Punkt. Aber ehrlich, wer wollte denn wirklich so alt werden? Andersherum: Wenn irgendwann der Golfstrom versiegen und Nordeuropa einfrieren sollte, so wie in den Eiszeiten, wie die Autoren das ausmalen – dräut der einsame Eskimoheldentod, den Jack Kerouac so eindrücklich beschrieb? Nein, es gäbe genug Hinterland. Übrigens: So richtig nachgewiesen wurde die „Zentralheizung Europas“ nie.
So, oder so. Evolution macht jedes Eckchen Erde, wie unwirtlich auch immer, zu einem Biotop. Evolution ist die genialste Kraft auf diesem Brocken von kosmischem Etwas. Und über diese Wundertüte hätte der Rezensent sich schon ein bisschen Ausführlicheres gewünscht, wie sie in diese Endlich-Unendlich-Symphonie hineintutet. Hat sie doch eine wenig kalkulierbare Joker-Rolle.
Und jetzt noch mal dicht ran! Trotz des biologischen Todes ist das Leben des Menschen ja nun doch auch ziemlich, ja richtig unendlich. Weil wir Recycling-Wunder sind, die aus den durch das Weltall fliegenden Teilchen wie ein Legokunstwerk zusammengesetzt sind. Davon geht nichts verloren und nach unserem körperlichen Ableben, selbst nach dem Verschwinden der Erde werden wir in irgendeiner Weise weiterleben.
Zahlenunendlichkeit, wen interessiert’s?
Meinte dies das Christentum mit Himmel? Oder sind etwa der Hinduismus oder Buddhismus in ihren Erkenntnissen viel weiter als der religiöse Glaube des Abendlandes? „Sternenstaub“ sind wir, weiß ja selbst der Schlager.
Also, konkret: Über diese ständige physikalische Neugeburt, was ja ein absolutes Wunder ist, von den Medien weitgehend ignoriert und auch von den Bustern nur mit spitzen Fingern angefasst, darüber hätte man denn doch gerne noch ein bisschen mehr erfahren. Jedenfalls mehr als über die Unendlichkeit von Zahlen und der Kreiszahl Pi. In diesen Kapiteln wird’s nerdig, die verlangen wie ein paar andere nach ein wenig mehr humoriger Hefe mit einem packenden inhaltlichen Looping.
Aber Ehre, wem Ehre gebührt: Die „krachenden“ (hier wird der Buchuntertitel eingelöst) Unterschiede zwischen Einsteins Universum und dem Quantenuniversum sind super herausgearbeitet. Die Gleichzeitigkeit der majestätischen Gravitation und den verrückten Winzigstteilchen, ausgedrückt durch die Theorie der Quantengravitation. Hier wird echt noch mal wissenschaftliches Neuland beschritten. Science Busters, we stay tuned!
Gleichheit, das Ende vom Ende
Das absolute Ende vom Ende ist am Ende womöglich eher langweilig. Denn nach 10 hoch 100 Jahren haben sich alle Spannungen im Kosmos aneinander abgearbeitet. „Tod durch Gleichheit“, weiß das Buch. Na bitte, nur Spannung bringt’s. Das ist der Zeitpunkt, wo der Schalter kippt. Buchtitel erfüllt. Der Letzte macht das Licht aus. –


