Erfolgsmodell: Ökologische Forschung und Pflanzenzüchtung mit Gentechnik

Von Dr. Jan-Wolfhard Kellmann, Jena

Dr. Jan-Wolfhard Kellmann ©MPI-CÖ

Weltweit und jeden Tag hilft die Gentechnik, die Natur besser zu verstehen. Mit jeder neuen Erkenntnis, wie Pflanzengenome in ihren natürlichen Ökosystemen funktionieren, wissen Biologen, Umweltforscher und Agrarwissenschaftler ein Stückchen mehr darüber, wie sich Pflanzen züchterisch, ob mit oder ohne Genmanipulationen, verbessern lassen.

Gezieltes Züchten dank neuer Erkenntnisse, wie Pflanzen in der Wildnis funktionieren und überleben

Max Planck prägte den Satz: Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen. 

Viele grundlegende Erkenntnisse beispielsweise Justus von Liebigs oder das Haber-Bosch-Verfahren zur Gewinnung von Stickstoff aus der Atmosphäre waren wichtige Voraussetzungen für den heutigen großen Erfolg unserer landwirtschaftlichen Praxis – ob ökologisch-organisch oder konventionell.

Experimente, die sich gentechnischer Methoden bedienen, liefern weitere, neue und faszinierende Erkenntnisse über pflanzliches Leben. Das Verstehen des Funktionierens von Pflanzengenomen in der Natur hilft, Pflanzenwachstum und damit Erträge züchterisch – und vor allem gezielt – zu optimieren, und dies im Einklang mit pflanzenbaulicher und standortgerechter landwirtschaftlicher Praxis, gepaart mit einem intelligenten Pflanzenschutzmanagement.

Dadurch haben wir eine reelle Chance, uns der Herausforderung und Verantwortung zu stellen, einer wachsenden Weltbevölkerung mindestens ausreichende, besser noch hochwertige Nahrung zu gewährleisten – bei gleichzeitiger Minimierung des Bedarfs an zusätzlichen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen beispielsweise durch Abholzung.

Das 21. Jahrhundert: Zeitalter der Genomik

Rohdaten einer DNA-Sequenz

Rohdaten einer DNA-Sequenz. Foto: MPI-ChÖ

Schon der Entwicklungsbiologe Ernst Haeckel und viele seiner Zeitgenossen hatten erkannt, dass die Frage, wie verschiedene Lebensformen sich etablieren, fortpflanzen und sich dem Lebensgefüge immer wieder neu anpassen, nur beantwortet werden kann, wenn man nicht ein Bakterium im Brutschrank, ein Tier im Käfig oder eine Pflanze im Gewächshaus untersucht. Vielmehr müsse man in der Natur genau beobachtet, warum sie sich alle an einem gegebenen Standort zusammenfinden und dort vertragen (Symbiosen), ergänzen (Stoffkreisläufe) oder einander vertilgen (Nahrungsketten).

Eine Hypothese lautet beispielsweise, dass die Hunderttausenden Insekten- und Pflanzenarten durch Jahrmillionen lange, gegenseitige Anpassung auf folgende Weise entstanden sind:

Pflanzen, die aus Sonnenenergie chemische Energie in Form von Zuckern und vielen anderen Stoffen produzieren, bilden die Nahrungsgrundlage aller Lebewesen auf unserem Planeten. Um ihre eigene Art zu retten, wehren sich Pflanzen gegen ihre Fraßfeinde durch Synthese von Giften, oder sie setzen ausgeklügelte Verfahren der indirekten Verteidigung ein, indem sie Geruchsstoffe in die Atmosphäre oder den Erdboden abgeben, mit denen sie die Feinde ihrer Schädlinge anlocken und sich ihrer damit geschickt entledigen.

Die Insekten wiederum begegnen den sich ständig optimierenden pflanzlichen Abwehrstrategien, indem sie Resistenzen hervorbringen, um sich so der pflanzlichen Verteidigung erfolgreich zu entziehen und so auch ihre Art zu retten. 

Die Grundlage solcher Anpassungsstrategien ist die ständige Veränderung und nachfolgende Optimierung von Erbinformation.

Diejenigen Merkmale bleiben erhalten, die eine Lebensform bestmöglich an einen Standort und dessen biotische wie abiotische und alle weiteren, sich ständig verändernden Parameter anpassen.

Ohne gentechnische Methoden kein ökologisches Verständnis

Um in der Ökologie solche Strategien der Anpassung und Gegenanpassung zu verstehen, werden gentechnische Methoden eingesetzt. Ohne diese Methoden könnte das Wechselspiel zwischen verschiedenen Mitgliedern eines Ökosystems nur beschrieben, aber nicht verstanden werden.

Deshalb sind die genetischen Mechanismen und die Gene selbst, die einen Organismus und seine Art zum Erfolg führen, Gegenstand aktueller Forschung. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen sind auch für die moderne und vor allem nachhaltige Landwirtschaft von großem Nutzen.

Pflanzenanzucht in Phytokammer

Pflanzenanzucht in Phytokammer. Foto: MPI-ChÖ

Seit mehr als zwei Jahrzehnten werden gentechnische Methoden weltweit und jeden Tag in pflanzen-, umwelt- und agrarwissenschaftlich arbeitenden Institutionen erfolgreich eingesetzt. 

Nicht zuletzt dank der Entwicklung der heutigen schnellen DNA-Sequenzierungstechniken können ausgewählte Spezies und Ökosysteme weltweit grundlegend von Ökologen und Umweltanalytikern  erforscht werden. Moderne Computertechnologien und die Bioinformatik machen es möglich, die daraus hervorgehende Menge an DNA-Sequenzdaten auszuwerten.

Der Wert wilder Pflanzen

Neben der Forschung an heute gebräuchlichen Nutzpflanzen hat die Untersuchung von Wildpflanzen an ihren natürlichen Standorten im Freiland zwei wesentliche Vorteile.

Erstens: Ein von Gärtnern gepflegtes Versuchsgewächshaus ist nicht vergleichbar mit der freien Natur, oder deutlicher: der Wildnis. Nur unter natürlichen Bedingungen kann ein Ökologe herausfinden, wie eine Pflanze auf Schädlinge reagiert. Zunächst durch genaues Beobachten – hierzu dienen inzwischen auch Filmkameras – um dann beispielsweise durch gezieltes An- oder Abschalten „verdächtiger“ Gene deren Bedeutung für die Abwehr von Schädlingen herauszufinden.

Zweitens: Das Genom einer Wildpflanze ist unberührt. Der Mensch hat es nicht zu züchterischen Zwecken künstlichen Mutationen, Kreuzungen oder Selektion unterworfen, wie dies zum Beispiel seit Jahrtausenden mit Getreidesorten geschehen ist. Spätestens seit der Mensch sich auf Ertragszüchtung konzentriert und gleichzeitig chemischen Pflanzenschutz und Düngung betreiben kann, sind so manche natürlichen Resistenzmerkmale en passant verloren gegangen. Dies zeigt der Blick in die manipulierten Genome einiger unserer heutigen Nutzpflanzen immer wieder aufs Neue.

Duftstoffgewinnung an Mais zum Studium natürlicher Schädlingsabwehr

Duftstoffgewinnung an Mais zum Studium natürlicher Schädlingsabwehr. Foto: MPI-ChÖ

In Nutzpflanzensorten nach noch unbekannten Resistenzmerkmalen zu suchen, kann also von vornherein erfolglos sein, da sich solche Merkmale unter Umständen längst „herausgemendelt“ haben könnten. Die „blinde“ Mutagenisierung von Saatgut durch den Menschen mittels radioaktiver Strahlung oder chemischer Substanzen, wie es vor einigen Jahrzehnten durchaus üblich war, um Sorten zu optimieren, hat wiederum die einst natürlich entstandenen Genome unserer heutigen Nutzpflanzen derart manipuliert, dass diese von ihrem natürlichen Zustand sehr weit entfernt sein könnten. Wildpflanzen stellen somit eine brauchbare Basis dar, Pflanzen grundlegend, eben „genetisch“ zu verstehen, wie sie sich erfolgreich und ganz natürlich gegen ihre Schädlinge wehren. Diese Erkenntnisse werden weltweit in der modernen Pflanzenzüchtung bereits genutzt.

Gentechnisch veränderte Versuchspflanzen liefern Erkenntnisse für die Züchtung

Die Verwendung gentechnisch veränderter Versuchspflanzen in den heutigen Bio-, Agrar- und Umweltwissenschaften sollte nicht den Eindruck erwecken, dass zukünftig nur noch gentechnisch veränderte Nutzpflanzen uns Menschen ernähren und den Planeten beherrschen.

Dies ist ein Trugschluss.

Experiment zur Stoffwechselmessung in jungen Keimlingen

Experiment zur Stoffwechselmessung in jungen Keimlingen. Foto: MPI-ChÖ

Das Wissen über Gene und deren Rolle beim Überleben der Pflanze in der Wildnis unterstützt die Pflanzenzüchtung. Durch konventionelle Züchtungsmethoden können beispielsweise die aus wilden Arten stammenden, erwünschten Eigenschaften in Kulturarten eingekreuzt werden.

Mit Hilfe einfacher molekularer Analysen wiederum können die für brauchbare Eigenschaften verantwortlichen Gene in Kreuzungsnachfahren aufgefunden werden, die dann für die Weiterzucht verwendet werden.

Solche neuen Verfahren, auch als smart breeding bezeichnet, die nicht nur Gen-Verluste vermeiden helfen, sondern insbesondere Züchtungsprogramme beschleunigen können, sind eine entscheidende und viel versprechende Basis für eine nachhaltige Landwirtschaft – weltweit – und jeden Tag.


Teile dieses Beitrags sind entnommen aus: Erber- Schropp, Julia Maria; Schartl, Manfred (Hrsg.): WissensWert – Moderne Biotechnologien. Springer Verlag 2013 – vorauss. Erscheinungstermin Okt. 2013.


Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie: Homepage

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Ein Gedanke zu “Erfolgsmodell: Ökologische Forschung und Pflanzenzüchtung mit Gentechnik

  1. Mit Interesse verfolge ich diese Debatte. Der Vorschlag, sich mehr mit Wildpflanzen zu beschäftigen ist nicht neu und wird von der Kulturpflanzen-Züchtung laufend wahrgenommen.

    Im Zeitalter der Genomik glaubt man nun, neue Genkomplexe locker von einer Art auf die zu verändernde Art übertragen zu können… Die Kulturpflanzenzüchter kennen jedoch die enormen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind…

    Man möge solchen Optimismus nicht in die breite Öffentlichkeit tragen! Wenn man diese Euphorie fördern will, dann müssen die bisherigen Gelder für die Grundlagenforschungen für diese Ziele nicht nur vervielfacht, sondern potentiert werden…

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