Der Roman liest sich so wie man einen 007-Film sieht: In einem Rutsch, spannend, im Abgang eher leicht. Er spielt zwischen 1925 bis 1957, in seinem Kern im Zweiten Weltkrieg. Ein talentierter junger britischer Rugby Spieler, der bei Einstein in Berlin Physik studiert, lässt sich vom Geheimdienst seines Landes anheuern, um die hypermoderne deutsche Raketentechnik auszuspionieren.
Deutsche Wunderwaffen
Treiber der Handlung ist seine Liebe zu einer deutschen Mathematikerin, der er im Studium begegnet. Der Plot entwickelt sich über viele Ecken und Kanten, mitunter ein wenig unübersichtlich und mit langem Vorlauf, wie die beiden in den letzten Tagen des Dritten Reiches nach über einem Jahrzehnt der Trennung wieder zusammenfinden. Eskalation auf beiden Seiten: Das nunmehr wieder Liebespaar bewegt sich abenteuerlich zwischen den Kriegsfronten in Südbayern und Böhmen auf der Suche nach einer weithin unbekannten zentralen Figur, die Zugriff auf deutsches Uran für Atombomben hat.
Der Roman hat einen historischen Rahmen mit erfundenen Hauptdarstellern im weitgehend faktischem Umfeld. Im Detail wird die fortgeschrittene deutsche V1 und V2 Raketentechnik beschrieben, in welchem Ausmaß sie England bedroht hat, besonders psychologisch. Trotz der Rückzugsgefechte seit Stalingrad und dem D-Day blieb das NS-Reich wegen seiner Drohung mit dieser auch als Wunderwaffen titulierten Kriegstechnik bis in die letzten Tage ein veritabler Gegner für die Alliierten.
Agent mit Skrupel
Natur, Menschen, Situationen sind oft akribisch und einfühlsam beschrieben, wobei die Liebe zwischen den beiden Hauptakteuren eher holzschnittartig geraten ist. Beeindruckend ist, wie englische, US-amerikanische und sowjetische Agenten einander ständig belauern, als Doppelagenten wirken, oft als Marionetten ihrer Führungsoffiziere und deren Kriegsagenda. Wie sich der Titelheld Simon auf einem Motorrad mit Beiwagen in den letzten Kriegswochen von der Kanalküste bis nach Prag durchschlagen konnte, u.a. mit einer in ein Taschentuch gedruckten Landkarte, bleibt bei aller damit aufgebauten Spannung rätselhaft. Wobei doch bekannt ist, dass die Nazis und die SS im Niedergang gegenüber allem Verdächtigen Amok liefen.
Simon ist ein zartbesaitet Guter, der es nicht übers Herz bringt, einen der größten Nazi-Verbrecher in seinem Schwitzkasten auszuschalten. Das unter dessen Regie entwickelte Uran ist in einem Berliner Postamt deponiert und wird in die USA geflogen, ebenso wie der Mann selbst, der Tausende von Zwangsarbeitern zu Tode schindete, um dort wie Wernher von Braun im Manhattanprojekt und Raumfahrt zu arbeiten.
Liebe gegen Moral
Wie sagen Machtpolitiker: Politik kennt nur Interessen. Und die werden, wenn die Diplomatie nicht mehr wirkt, mit Waffen durchgesetzt, und wer die potenteren hat, sitzt am Drücker. Ingenieuren und Wissenschaftlern, ließe sich ergänzen, fehlt es oft an Moral und Ethik, denn sonst ließen sich solche Waffensysteme gar nicht bauen. Hier schließt sich der Kreis vom Roman zur TELI. Auch viele TELI-Journalisten, wissen wir aus der Aufarbeitung des NS-Zeit, waren waffengeil und arbeiteten dem Regime zu.
Der Krimi endet formgerecht. Der in Italien untergetauchte Simon und dort in seinem alten Beruf als Lehrer Arbeitende soll erneut vom britischen Geheimdienst rekrutiert werden, um von Berlin aus gegen die Sowjets zu arbeiten, die gerade die Welt in den Sputnik-Schock versetzt haben. Eigentlich will er nicht. Sein Führungsoffizier, der dem alten Kolonialreich nachtrauert und die Zukunft in einem starken Europa sieht, lockt ihn mit seiner alten Freundin Hedi. Das Glück des Wiedersehens in den letzten Kriegstagen 1945 war nur von kurzer Dauer. Sie hatte sich pragmatisch für die sowjetischen Sieger entschieden und bekleidet in der DDR einen Lehrstuhl für Raumfahrt.
Shakespearesk
So the story never ends … nicht nur Staatsinteressen und Ideologien, auch die Liebe kann sich gegen die Moral wenden einschließlich im gegenseitigen Belauern. Damit kannte sich ja bereits Simons Landsmann Shakespeare bestens aus.