Der Tanz auf dem Quantum

Wer selbst im Quantenjubiläumsjahr 2025 viel Aufklärung über die mysteriöse Quantenwelt erhofft, die vor nunmehr, hundert Jahren Gestalt annahm, möge sich eines Zitates des renommierten Physikers Richard Feynmann erinnern: „Wer glaubt, die Quantentheorie verstanden zu haben, der hat sie nicht verstanden.“

Insofern Chapeau, Hut ab, wenn der Physiker, Wissenschaftsjournalist und Schriftsteller Thomas de Padova sich an diese fast aussichtslos erscheinende Aufklärungsarbeit gesetzt hat. Sein schwieriges Unterfangen löst er gleich zu Anfang bravourös. Der Inhalt mit seinen Kapiteln ist so kurzweilig formuliert, mit Titeln, wie sie im Zeitungsfeuilleton stehen könnten, dazu noch, ungewöhnlich, mit knackigen Abstracts zu den Kapiteln, so dass man nicht anders kann, als sich in die Lektüre des mit 400 Seiten dicken Wälzers hineinfallen zu lassen. Halb zog er ihn, halb sank er hin.

Die Weltformel – unmöglich?

Inhaltlich ranken sich die Kapitel immer wieder zentral um die Akteure, Heisenberg, Planck, Einstein und Bohr, den Schöpfern dieser Theorie. Wie sie im Miteinander wie auch Gegeneinander, aber stets im gepflegten wissenschaftlichen Diskurs sich auseinandersetzten und ein Modell von den kleinsten Teilchen in die Welt setzten. Die aber nicht fassbar sind, sondern unsichtbar, dabei so miteinander verschränkt, dass das eine Teilchen immer weiß, was das andere macht und dabei überlichtschnell in Verbindung miteinander stehen.

„Spukhafte Fernwirkung“ nannte das Einstein, der bis zum Ende seines Lebens über dieses Phänomen grübelte, ja verzweifelte. Der aber anfangs den Anstoß zu dem Wirrwarr gegeben hatte. Anders als im Zauberlehrling konnte der Meister seinen Eleven nicht Einhalt gebieten und er wurde im Strudel derer Lehren fortgerissen. Am Ende müssen wir bis heute zur Kenntnis nehmen, dass die Welt sich zumindest in zwei aufspaltet, die von der Gravitation und ihren Gesetzen samt Lichtgeschwindigkeit regierten Makrowelt und der unfasslichen Nano-, Pico-, Femto- und Attowelt, in der die Quanten sich tummeln. Eine Weltformel, die diese beiden Welten physikalisch in nachvollziehbaren Formeln miteinander vereint und die sich auch Quantengravitation nennen ließe, fehlt.

Der kommt natürlich auch der Autor nicht näher, aber in kurzen und bunten Erzählerchen macht er zumindest ein wenig greifbarer, um was es hier geht. Normalos schöpfen daraus eine gewisse Genugtuung, dass selbst der immer als so genial dargestellte Einstein intellektuelle Grenzen hatte, so wie auch der nicht viel weniger geniale Planck. Beeindruckend wie im Kampfe um die physikalischen Wahrheiten die Herrschaften wie Gentlemen miteinander umgeht, mit großem Respekt für das Anderssein der Konkurrenten und gleichzeitig großer Neugier auf deren Denke. Gleichwohl die hässliche Fratze des Antisemitismus und der Nazi-Ideologie sich bereits in den 1920ern immer deutlicher zeigt und Einstein mit seiner Relativitätstheorie schnell ins Fadenkreuz von Anhängern einer arisch-deutschen Physik gerät (die denn auch folgerichtig den Anschluss an die moderne Physik, damit an die Atombombe verlor und darüber unterging).

Ein Schöpfergott – physikalisch denkbar?

Der Autor lässt zwar immer wieder ein paar Formeln einfließen, vielleicht auch als eine Art Alibi für seine doch recht feuilletonistische Abhandlung, doch am Ende fehlt eine knackige Zusammenfassung, die das Thema noch mal auf die Essenz herunterfährt: Was sind Quanten, worin unterscheiden sie sich von Atomen, welche Gesetze herrschen im Quantenuniversum, vor allem: Wenn es uns so wenig zugänglich ist, wie ist es möglich, dass die ganze uns beseelende moderne Elektronik auf Quanten basiert. Was wissen wir, was wir nicht wissen, welche forscherischen Wege versprechen größere Erkenntnis – faktisch, knapp, laienverständlich, so hätte sich diese Quantennarration geschickt auffangen und optimal erden lassen.

Am Ende stellt sich denn doch noch die Frage nach der, ja Religion dahinter und der mysteriösen Quantenwelt. Diese Unlesbarkeit der Natur, deutet das nicht auf das Göttliche und das Gebot respektive Verbot, „du sollst dir kein Bildnis machen“. Und wäre diese vielleicht nicht die dritte Kraft, neben Gravitation und Quantenwelt, die in eine Weltformel Eingang finden müsste? Erkannte der gläubige Planck doch Gott in den Gesetzen der Natur. Und selbst der bekennend ungläubige Einstein bekannte sich zu einer kosmischen Religion, die sich an der Ordnung des Universums orientiert. Auch mit dem diesjährigen Quantenjahr ist das Thema noch lange nicht abgeschlossen.

Thomas de Padova: Quantenlicht. Das Jahrzehnt der Physik 1919—1929. Hanser München 2024. 28 €

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