Neueste Ergebnisse zur W-Debatte:
„Wir versprechen, Probleme zu lösen, damit unsere Anträge bewilligt werden!“

Es war eine gute Woche für die TELI-Wissenschaftsdebatte! Dank unseres Berliner Mitglieds Alex Gerber-Crawford, der einen Sturm von Aktivitäten entfesselte, griffen eine Anzahl von Online- und Printmedien das Thema auf und verbreiteten es, darunter der Informationsdienst Wissenschaft idw und der FAZ-Wissenschaftsteil. Das wiederum erhöhte beträchtlich die Reichweite der Aktion, was den Fragebogen-Rücklauf erheblich verstärkte. Die Highlights:

Es sind nicht so sehr die spezifischen Wissenschaftthemen, sondern das Umfeld von Wissenschaft, die Arbeitsbedingungen und Dialogfähigkeit, die die Forscher interessieren. So verlangt ein Politologe, dass die Wissenschaft endlich ihren Elfenbeinturm verlassen und sich in einer Art Community Organizing vernetzen müsse. Ein Naturwissenschaftler stößt ins gleiche Horn und fordert den organisatorischen Graswurzelansatz von unten nach oben („bottom up“) sowie die Fähigkeit, die Themen auf breiter Ebene zu kommunizieren, sodass auch der akademisch nicht vorgebildete Bürger sie begreifen könne.

„Ethischer Konsens nur durch einen breiten gesellschaftlichen Diskurs“

Der Direktor einer ehrwürdigen Berliner Bildungseinrichtung fordert mehr Geld für die Verbreitung und Popularisierung von Wissenschaft. Zu einer Wissensgesellschaft gehöre, dass der Bürger „den wissenschaftlichen Fortschritt aktiv mitgestalten kann“. Ähnlich äußern sich viele andere Teilnehmer an der Aktion, so zum Beispiel über die umstrittene Stammzellenforschung, dass ein ethischer Konsens nur durch einen breiten gesellschaftlichen Diskurs entstehen könne.

Wie schon bei der letzten Auswertung kommt die Abwrackprämie im Urteil der Wissenschaftler nicht gut weg. Die Deutschen seien „Autobahnfetischisten und ein Abwrackervolk“ klagt einer, ein anderer schreibt: „Die Abwrackprämie verlängert die Lebensdauer einer gestrigen Industrie“, weitere äußern sich entsprechend.

„Gehälter zwischen denen einer Friseurin und einer Sekretärin“

Auch Prominenz meldet sich bei der TELI-Aktion zu Wort, so Professor Klaus Buchner, Physiker an der TU München und gleichzeitig Bundesvorsitzender der ÖDP. Was den Forschungsetat angeht, müsste er mindestens vier Prozent des Gesamthaushalts betragen, verlangt er. So wie Buchner weisen verschiedene andere Wissenschaftler auf die katastrophale finanzielle Ausstattung der deutschen Forschung hin. Wissenschaftler „seien scheinselbständig, müssten sich ständig selber finanzieren, und von den Geldern müsste auch noch die universitäre Verwaltung quersubventioniert werden“, so Buchner. Ein Theologe aus Rostock beklagt, das ein Drittel der Arbeitszeit mittlerweile für die Antragsstellung aufgebracht werden müsse, im übrigen hingen die wissenschaftlichen Mitarbeiter vom Professor ab wie von einem Feudalherrn, so uneingeschränkt mächtig sei er ihnen gegenüber.

Ein derzeit in den USA forschender Wissenschaftler beschwert sich über die völlig unsicheren Zukunftsaussichten für Nachwuchsforscher, die sich von Dreijahresvertag zu Dreijahresvertrag hangelten, Gehälter zwischen denen einer Friseurin und einer Sekretärin verdienten und am Ende ihrer universitären Karriere mit 45 nicht mehr an die Industrie zu vermitteln seien. Die Ergebnisse der deutschen Forschung, besonders unter diesen Bedingungen, seien sehr bescheiden: „Wir versprechen den Bürgern, dass wir ihre Probleme lösen und die Welt besser machen, damit unsere Anträge bewilligt werden, aber am Ende bleiben uns nur ein paar Forschungsergebnisse und heiße Luft.“

Machen Sie mit bei der TELI-Wissenschaftsdebatte, Science Debate Germany 2009!

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3 Gedanken zu “Neueste Ergebnisse zur W-Debatte:
„Wir versprechen, Probleme zu lösen, damit unsere Anträge bewilligt werden!“

  1. Kaum ein Ausbildungsbetrieb ist so runtergehungert wie die Hochschulen, die daneben ja auch noch Forschung bringen sollten … und von politischen Interessen der Leistungsideologen in den Hierarchien blockiert: Ein System der Selbstzerstörung, das sich selbst nicht retten kann. Am Ende kommen Berater … und verkaufen den Rest, werden sich aber wundern, dass sie kaum jemand zu entlassen finden.

    Bildungspolitik wäre etwas ganz anderes: Eigenes Lernen anregen und begleiten, Strukturen für gemeinschaftliches Forschen schaffen, Bilder für eine zukunftsorientierte Gesellschaft entwerfen … statt Krisenmanagement.

  2. „dass ein ethischer Konsens nur durch einen breiten gesellschaftlichen Diskurs entstehen könne.“

    Kann dem nur zustimmen, aber vielleicht ist diese öffentliche Aufmerksamkeit ja politisch nicht gewuenscht, denn ein uninformierter Buerger laesst sich schliesslich leichter in beliebigen Sinne manipulieren…

    Helfen weder Politiker noch Medien diese „Informationspolitik“ zu verbessern, bleibt nur Eigeninitiative. Werkzeuge dafuer gibt es inzwischen genuegend – Blogs, Soziale Netzwerke, das Internet – man muss dahin gehen, wo sich der Buerger aufhaelt.

  3. Vielleicht hat der eine oder andere schon den „offenen Brief“ von Herrn Stawicki gelesen?

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