Der US-Soziologe Neil J. Smelser gilt als exzellenter Sozialwissenschaftler, forscherisch wie _auch_ schreiberisch. Wie das?, fragt sich jeder Wissenschaftsjournalist. Frustige Stunden laufen vor seinem inneren Auge ab, in denen er um die Aussagen inhaltlich seichter, sprachlich dafür um so aufgebauschterere Forschungsarbeiten rang. Die WZB Mitteilungen haben den emeritierten Stanford-Professor über Stilkunst befragt. Von den Antworten könnte manch altgedienter Journalist und Redakteur noch etwas lernen:
F: Was war hilfreich für die Entwicklung Ihres Scheibens?
A: Dass ich früh von Lehrern gelobt und ermutigt wurde.
F: Was zeichnet einen guten wissenschaftlichen Artikel aus?
A: Einfachheit und Klarheit. Das gilt aber für jeden Text.
F: Was macht einen Text schlecht?
A: Aufgeplusterte Sprache.
F: Sie haben als junger Mann auch als Reporter gearbeitet. Wie sehen Sie heute Journalisten?
A: Ich bewundere ihr Handwerk: Deadlines einhalten, klar strukturiert schreiben, an die Leser denken.
F: Ist das für Forscher nicht ein ungewöhnliches Lob?
A: Mag sein. Da ist bei Forschern viel Neid dabei, weil sie selbst nicht schreiben können.
F: Den UNESCO-Band „Sociology“ haben Sie als alleiniger Autor geschrieben – basierend auf Beiträgen von 19 teils sehr berühmten Autoren. Wie ging das?
A: Mit einem Höchstmaß an Diplomatie und Radikalität.
F: Wie meinen Sie das?
A: Man muss aggressiv herangehen und zur Not alles neu schreiben.
F: Und wenn ein Redakteur Ihren Text bearbeitet?
A: Dann respektiere ich seine Entscheidungen. Auch Talcott Parsons hat wortlos meine Neufassung angenommen. Meist akzeptiere ich 90 Prozent der Änderungen.
Mehr über das Verhältnis von Forschern und Journalisten, Politik und Gesellschaft in der TELI-Wissenschafts-Debatte. Debattieren sie mit!
Quelle: WZB Mitteilungen Juni 2010, S. 27
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Das Interview (oben verkürzt) führte Redaktionsleiter Dr. Paul Stoop