Chapeau, Nick Davies! Der Kollege aus England hat dem taumelnden Journalismus zu neuem Glanz und Halt verholfen. Recherchieren, nicht abschreiben, diktiert er der Zunft in die Schreibblöcke. Wie einst Woodward und Bernstein US-Präsident Nixon stürzten, so hat Davies das Murdoch-Presse-Imperium in die Knie gezwungen. Dafür und die ehernen journalistischen Standards, die er einfordert, erhält er den „Henri“ 2012.
Dass er auch Wissenschaftsjournalisten viel zu sagen hat, zeigte sich bereits auf der Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten 2009 in London. Dort stellte er in zum Bersten vollen Sälen sein Buch „Flat Earth News“ vor, das den Medien und deren Vertretern die Leviten liest.
„Während Journalisten einst aktive Sammler von Nachrichten waren, sind sie jetzt passive Verbreiter von Materialien aus zweiter Hand geworden, das zum großen Teil aus PR-Daten stammt und politische sowie wirtschaftliche Interessen absichert“, sagte Davies. Journalisten seien zu „Churnalists“, Fließbandarbeitern geworden. „Ein Gewerbe, dessen vornehmste Pflicht es war, alles Falsche herauszufiltern, ist so verwundbar für Manipulation geworden, dass es sich jetzt an der Massenproduktion von Falschheiten, Verzerrungen und Propaganda beteiligt“, argumentierte er.
„Wir veröffentlichen dreimal mehr Berichte in nur noch einem Drittel der Zeit“, eröffnete er den Besuchern aus aller Welt. In den britischen Zeitungen basierten die Hälfte der gedruckten Artikel bereits auf PR-Material; 30 Prozent kämen direkt von Werbeagenturen. „Die Konzerne haben uns übernommen“, rief Davies unter großem Beifall, „sie stehlen uns die Zeit!“
Viele Wissenschaftsjournalisten gaben dem Briten recht. Diesen Trend gebe es auch in ihrer Branche. Viel zu viele Forschungsergebnisse würden von den Schleusenwärtern der öffentlichen Meinung einfach durchgewunken, zu wenig geprüft, insgesamt unkritisch veröffentlicht. Leitfiguren wie Davies fehlten im Wissenschaftsjournalismus.
Dieses Berufsverständnis hat sich für Davies, die Öffentlichkeit und die Demokratie ausgezahlt. Zwei Jahre nach diesem Auftritt bei der Weltkonferenz fand er durch hartnäckige Recherchen heraus, dass der Murdoch-Konzern Privatleute abhörte, darunter die Mailbox eines dreizehnjährigen Mordopfers. Das löste einen Zeitungsskandal aus, erschütterte die britsche Regierung und brachte eine weltweite Debatte über die Moral der Medien ins Rollen.
Dafür wird der Brite am 11. Mai in Hamburg mit dem Henri Nannen Preis für Pressefreiheit ausgezeichnet. (Fotos (c) Goede)