Bundestagswahlen:
Forschung und Bildung ankreuzen!

Endspurt: Die TELI-Wissenschaftsdebatte geht in die letzte Runde vor den Wahlen am morgigen Sonntag. Nach den Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft, ausführlich gewürdigt in unserer Pressemitteilung, haben jetzt wieder die Forscher das Wort, die sich noch einmal zahlreich gemeldet haben.

MEHR ZIVILCOURAGE: „DER NACHWUCHS IST ZU FEIGE“

Die schlechten Arbeitsbedingungen der Wissenschaftler bleiben Dauerbrenner. „Mit 40 hat man eine Professur oder nichts“, bemängelt ein Nachwuchsforscher, Lehramtsstudenten sind dagegen mit 30 verbeamtete Lehrer. Befristete Stellen fördern das Abwandern von Wissenschaftlern ins Ausland. Hochschullehrer müssen von der Verwaltungsarbeit und Mitteleinwerbung entlastet werden. Ein Meeresökologe im Ruhestand räumt verkrustete Hierarchien ein, beobachtet aber: Der Nachwuchs ist oft zu angepasst, „ja sogar zu feige“.

„DEUTSCHLANDS INVESTIONEN IN BILDUNG UND FORSCHUNG – EINE SCHANDE“

Sehr deutlich wird Roland Eisen, emeritierter Ökonom der Frankfurter Goethe Universität. Laut OECD bleibe Deutschland in Forschung und Bildung zurück, „das ist für ein so reiches Land eine Schande“, urteilt Eisen: „Die Zukunft liegt in Bildung und Forschung!“ Seine Hochschulkollegen fordern eine Vorreiterrolle Deutschlands in der internationalen Forschung, sogar Skandinavien müsse es überflügeln, „4 bis 5 Prozent [des Bruttosozialprodukts] wären nicht zu viel“.

NATURWISSENSCHAFTEN MÜSSEN COOL WERDEN

Bildung beginnt mit exzellenten Erziehern in Kindergärten. In den Schulen sollten die als „uncool“ verrufenen Naturwissenschaften durch spannende Experimente ein „cooles“ Image erhalten. Bildung ist immerwährendes Lernen, warum also gibt es nicht eine „zweite Bildungsphase um das 40. Lebensjahr?“, fragt ein Gastwissenschaftler in Bremerhaven.

WÜSTENSONNE: STROM AUS DER SAHARA FÖRDERN

Die Erzeugung nachhaltiger Energie aus erneuerbaren Ressourcen ist ein Anliegen aller Teilnehmer des Fragebogeninterviews. „Dezentral“ und „monopolfrei“ sind dabei die Stichworte. Solarenergie reiche für alle. Besondere Förderung sollte das Desertec-Projekt erfahren, welches die Saharasonne anzapfen, verstromen und nach Europa fließen lassen will. (Dazu veranstaltet die TELI Süd im Rahmen des „Klimaherbstes“ der Münchner Volkshochschule im Münchner Presseclub am 27.10.2009 um 18.30 ein Expertengespräch.) Die Gelder für Mond- und Marsmissionen müssten einer Energie-Offensive zugute kommen.

WER DRECK MACHT, MUSS ZAHLEN!

Die Abwrackprämie erfährt weiterhin ein negative Beurteilung. Für das Geld hätten CO2-neutrale Stadtteile und ökologisch sinnvolle Verkehrsträger gefördert werden sollen. Wenn man nur E-Autos und Fahrräder in Stadtzentren zuließe, verbesserte sich die CO2-Bilanz um 20 Prozent. Auch über ein Tempolimit auf Autobahnen wird nachgedacht. Ein Teilnehmer fordert resolut den Einsatz der Steuerpolitik gegen Umweltsünder: Wer Dreck macht, muss zahlen!

PROF. EM. ROLAND EISEN: FORSCHER UND KANZLER AN DEN RUNDEN TISCH

Grundlagenforschung ist zweckfrei, aber Kooperationen mit Industrie sowie Stiftungsprofessuren untergraben die Unabhängigkeit, wird bemängelt. Zur Verbesserung des Kontaktes zwischen Politik und Forschung regt Roland Eisen einen Runden Tisch an, an dem sich Wissenschaftler regelmäßig mit dem Bundeskanzler austauschen. Forscher müssen medientauglicher werden, Journalisten wissenschaftstauglicher. Sie sollten mehr Zeit für Recherche haben und komplexe Themen anschaulicher und spannender darstellen, verlangt die Wissenschaft.

SICHERT GENTECHNIK DIE WELTERNÄHRUNG ODER NICHT?

Der Verbot des Genmaises MON 810 durch Landwirtschaftsministerin Aigner löst mehrheitlich Kritik aus. Die grüne Gentechnik wird sehr unterschiedlich bewertet. Für die Sicherung der Welternährung ist sie nicht wichtig, so eine Meinung, „viel wichtiger dagegen stabile politische Systeme, Friede und Bildung für alle“. Gegenpol: „Gentechnik ist unverzichtbar und kann die meisten Probleme der Welternährung lösen helfen“, durch etwa insektenresistente Pflanzen und genügsame Pflanzen, die sich für den Anbau in Steppen eignen. Eine dritte Meinung: Jeder trägt durch seinen Lebenswandel – weniger Fleischkonsum, Einkauf saisonaler Lebensmittel – zur nachhaltigen Ernährung bei.

HABERMAS: WISSENSCHAFT BRAUCHT ÖFFENTLICHE UND DEMOKRATISCHE DEBATTE

Die TELI-Wissenschaftsdebatte wird nach den Wahlen fortgesetzt. Diesen Teil schließt Roland Eisen mit einem Hinweis auf Habermas: „Wissenschaft braucht die öffentliche und demokratische Debatte. Der Dialog muss über ein Medium wie die Presse erfolgen.“ Der abschließende Wunsch der TELI als Mittler zwischen Forschung, Politik und Zivilgesellschaft: dass Sie Ihre Stimme so einsetzen, dass Deutschland als traditionelles Land der Forschung und Bildung sowie der engagierten gesellschaftlichen Auseinandersetzung darüber international wieder an der Spitze mitmarschiert. Dann bleibt die Sorge über unsere Zukunft zwar erhalten, „denn die ist sinnvoll“, aber Angst müssen wir uns um sie nicht mehr machen, „denn die ist schädlich“, wie uns der Meeresbiologe Eike Rachor auf den Weg in die Wahlkabine mitgibt.

Vielen Dank für Ihr großes Engagement!

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