Man könnte sie eine Aktivistin der Wissenschaft und Forschung nennen. Dr. Steffi Ober tritt für mehr Mitsprache der Zivilgesellschaft in der Wissenschaftspolitik ein, so wie auch die Wissenschaftsdebatte.
Steffi Ober ist die Koordinatorin der zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende1. In Ihrem Aufsatz „Wissenschaftspolitik demokratischer gestalten“2 kritisiert sie die fehlende demokratische Legitimation von Forschungsprojekten. Sie werden von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft ausgehandelt, ohne Hinzuziehen von zivilgesellschaftlichen Akteuren.
Dieses Ungleichgewicht begünstigt eine eindimensionale Wachstumspolitik. Innovationen zielen stets auf eine Steigerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Dieser muss sich auch die Wissenschaft unterordnen. Die Autorin beruft sich auf den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung WBGU. Der stellte bereits 2011 klar, dass für eine Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft kulturelle Innovationen unverzichtbar seien.
Obers Schluss: „Forschungspolitik scheint im geschlossenen Raum verhandelt zu werden.“ Dem gesellschaftlichen Anspruch, dem Gemeinwohl zu dienen, könne sie damit nicht mehr gerecht werden. Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzverbände müssten in den Kommunikationsprozess einbezogen werden.
Dem ungebrochenen „Mythos von Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität“ setzt die promovierte Medizinerin „Themenanwälte für Nachhaltigkeit“ entgegen, die in den Aushandlungsarenen für gemeinwohlorientierte Forschung und Innovation eintreten. Nur wenn Wissenschaftspolitik „die Diversität gesellschaftlicher Ziele und Anforderungen“ zulasse, „könnten Vielfalt und Innovationskraft in der Wissenschaft gesteigert werden“.
Die Zivilgesellschaft ist, in einer Metapher, Licht und Luft für die eingesperrte Forschung.
1) http://www.forschungswende.de
2) http://www.forschungswende.de/images/PDF/11_13_Ober_1.pdf in Gaia 1-2014: http://www.oekom.de/index.php?id=1693
Weitergehende Literatur
Uwe Schneidewind: Transformative Wissenschaft
http://www.metropolis-verlag.de/Transformative-Wissenschaft/1003/book.do
Siehe ergänzend auch „Transformative Literacy“
http://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/4938
Um offen zu sein: Journalismus sollte kritischer sein. Auch wenn Sammelband-Autoren übereinander schreiben (Ich bin je selber einer).
Kritischer Journalismus muss sich an den Realitäten orientieren, sie wiedergeben. Das Verhältnis zwischen der Zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende und dem Wissenschaftsjournalismus in Deutschland ist ein doppelt gespanntes.
(1) Der Wissenschaftsjournalismus hat heutigentags das Interesse an Forschungspolitik so gut wie vollständig verloren. Gegenüber dem Wissenschaftssystem ist er kein kritisches Korrektiv aus der Gesellschaft, der Öffentlichkeit mehr. Deshalb werden solche Neuerungs-Ansätze wie die Forschungswende vom Journalismus überhaupt nicht wahrgenommen. Schon gar nicht in einer kritischen Konnotation, die auch den Wandel der Forschungswende in den letzten drei Jahren hinterfragen würde: von einem ursprünglich gesellschaftlichen Ansatz hin zu einem konventionellen Förderprojekt für Umweltverbände. So gut wie keinen Journalisten interessiert das. Der Journalismus hat ein Null-Verhältnis zur Forschungswende.
(2) Umgekehrt hat auch die Forschungswende kein Interesse am Journalismus. Wenn es dort um Kommunikation geht, wie in einem soeben publizierten Strategiepapier (Anm. 1), dann geht es dort an keiner Stelle um Journalismus als kritischen Gesellschaftsakteur mit medialen Instrumenten. Die dort entworfene Kommunikation nach innen in die Verbände und nach außen in die breite Öffentlichkeit der Gesellschaft folgt den klassischen Kriterien der Lobby-Kommunikation: der eigenen Position ein Sprachrohr geben und für einseitige Verbreitung sorgen. Eine gemeinsame Kommunikationsplattform von Forschungswendern und Wissenschaftsjournalisten? Kein Gedanke. Es liegen Welten dazwischen.
Ich fasse zusammen: Diese Real-Situation wäre zu allererst von beiden Seiten – ZGO und WJ – nüchtern wahrzunehmen. Um dann, wenn man es wirklich will (und kann), über Schritte der Annäherung nachzudenken. Im erwähnten FW-Papier wurde dazu eine gute Chance vertan. Wenn nämlich auf Seite 23 der Koalitionsvertrag von 2014 zitiert wird: „Wir wollen Bürgerinnen und Bürger und die Akteure der Zivilgesellschaft konsequent in die Diskussion um Zukunftsprojekte und die Ausgestaltung von Forschungsagenden einbinden.“ Der unmittelbar daran anschließende Satz auf Seite 151 der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD, der für uns Wissenschaftsjournalisten sehr wichtig ist, wurde von den Forschungswendern, dagegen nicht mehr übernommen und zitiert: „Wir wollen neue Formen der Bürgerbeteiligung und der Wissenschaftskommunikation entwickeln und in einem Gesamtkonzept zusammenführen.“ Weglassen als Trennungsakt.
(Anm. 1)
ZIVILGESELLSCHAFT BETEILIGEN – Perspektiven einer integrativen Forschungs- und Innovationspolitik
http://forschungswende.de/index.php?id=35&tx_news_pi1%5Bnews%5D=75&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail