Die 19 Interviews mit politischen Korrespondenten aus der BRD und DDR aus den Zeiten des Kalten Kriegs, darunter bekannte Namen wie Kienzle, Loewe, Bednarz sind spannend. Die Interviewer schaffen es, die Journalisten aus dem Nähkästchen plaudern zu lassen. Der ideologische Kampf der Systeme um Macht und ein menschenwürdiges Dasein entbrennt in den Texten noch einmal.
Erkenntnisreich ist es zu lesen, wie DDR-Journalisten sich selber in vielen Variationen als zentral gelenkt durch ihre Partei beschreiben. Nur überzeugte Kommunisten erhielten das Privileg auszureisen und aus den Konfliktzonen der Welt in Asien, Afrika und Südamerika zu berichten. Bei allen Unfreiheiten und journalistischer Perspektivverengung wird dennoch viel Idealismus und Wille sichtbar, zu einer gerechteren Welt beizutragen.
Aber auch die BRD-Journalisten räumen ein, dass sie sich oft zu propagandistischen Zwecken einspannen und missbrauchen ließen, sie in die Fallen der Apartheidpolitik Südafrikas hineintappten, wie sie unter einer fehlenden inneren Pressefreiheit litten, bei den öffentlich-rechtlichen Sendern die Politik in die Personalauswahl hineinregierte, während die privatwirtschaftlich organisierten Medien sich zunehmend der Kommerzialisierung und Boulevardisierung der Inhalte hingaben.
Die Grenze zwischen Gut und Böse verlief quer durch die gegnerischen Lager, auch im Journalismus.
Spannend auch zu lesen, wie einige DDR-Korrespondenten es schafften, nach der Wende journalistisch wieder Fuß zu fassen. Hier endet das Buch, doch die Geschichte geht weiter.
Wie sich über die ehemaligen Ostblockstaaten mit dem Neoliberalismus eine Art neuer Totalitarismus stülpte. Solide Inhalte waren nicht mehr gefragt, nur sensationell und profitabel mussten sie sein. Über diesen traumatischen Wandel berichteten einmütig Wissenschaftsjournalisten aus Ungarn, Tschechien, Bulgarien, Kroatien, Russland auf einer internationalen Konferenz1. Sie kamen vom Regen in die Traufe.
Die Kritik ist für die westliche Lebensart und Demokratie wenig schmeichelhaft. Sie rundet gleichwohl das mit großem Aufwand erarbeitete Buch von Lutz Mükke ab, Direktor des Europäischen Instituts für Journalismus- und Kommunikationsforschung in Leipzig, verlängert es in die Gegenwart, vereinigt die Wahrheiten von damals zu einer neuen aktuellen Wahrheit.
1) http://www.eusja.org/totalitarianisms-new-clothes
*) Lutz Mükke: Korrespondenten im Kalten Krieg. Zwischen Propaganda und Selbstbehauptung. Herbert von Halem Verlag Köln 2014
http://www.halem-verlag.de/2014/korrespondenten-im-kalten-krieg/
http://www.amazon.de/Korrespondenten-Kalten-Zwischen-Propaganda-Selbstbehauptung/dp/3869620595
Danke, Manfred, für das wie immer verlässliche Kommentieren von Beiträgen der TELI Wissenschaftsdebatte. Dein Einspruch ist in der Tat gerechtfertigt, hat bei näherer Betrachtung indes einen differenzierteren Hintergrund.
Zunächst: Nach der Aufarbeitung der TELI Nazi Historie wollten wir uns ja auch an die Analyse der Nachkriegsgeschichte machen, mit besonderen Blick auf den Wissenschafts- und Technikjournalismus in der DDR. Diese wichtige Aufarbeitung ließ sich bisher leider nicht realisieren, u.a. infolge des frühen Todes unseres verdienten Kollegen Hans Christian Förster. Was wir allerdings aus Untersuchungen an der FU unter der Regie von Professor Winfried Göpfert wissen:
Der DDR Wissenschaftsjournalismus musste sich natürlich auch der Partei und dem Klassenkampf unterordnen, war aber auch eine Nische für viele Journalisten mit mehr Freiheiten als der politische Journalismus. Das bestätigen einige der interviewten DDR-Auslandskorrespondenten in dem vorliegenden Buch. Auch im Feuilleton und in der Kultur waren Parteilinie und Zensur weniger rigoros, was eine weniger monolithische Berichterstattung ermöglichte. Insofern ist Mükkes Buch ein wichtiger Beitrag zu unserem Thema, weshalb ich es auch vorgestellt habe.
Im Speziellen und im größeren Ostblockumgriff mag der Wissenschafts- und Technikjournalismus in den einst kommunistischen Ländern §dröge“ gewesen sein, so wie auch in der BRD in den 60er und 70er Jahren (nur der angelsächsische und besonders US-amerikanische kam ja traditionell mit leichterem Schwung daher, war aber oft mehr Wissenschafts-PR als eine kritische Würdigung), aber er fokussierte scharf auf Wissenschaft und vermittelte wissenschaftliches Wissen. Besonders Istvan Palugyai, vormals Präsident der European Union of Science Journalists‘ Associations EUSJA, hat oft und mit vielen Beispielen darauf verwiesen.
Insgesamt gibt es auch auf westlicher Seite viele Beispiele, wie Wissenschaftsjournalismus sich dem Kalten Krieg und dem Rüstungswettlauf unterordnete bzw. damit Geschäfte machte. Als Beispiel ist oft P.M erwähnt worden, das in den 80er Jahren von Einigen als Waffen- und Raketenmagazin geschmäht wurde, weil Militaristisches auf dem Titel sich als gut verkäuflich erwies.
Grundsätzlich fehlt uns nach wie vor eine kritische Analyse des Wissenschafts- und Technikjournalismus in Deutschland in der Zeit von 1945 bis 1989. Leider. „Totalitarianism’s New Clothes“, eine der beliebtesten Veranstaltung auf der Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten 2013 Helsinki, warf ein Licht auf den Themenkomplex. Kommerzialisierung und Kapitalisierung war, unisono, ein wichtiger Einwand der dort versammelten Kollegen. Nur Ostalgie?
„Wie sich über die ehemaligen Ostblockstaaten mit dem Neoliberalismus eine Art neuer Totalitarismus stülpte. Solide Inhalte waren nicht mehr gefragt, nur sensationell und profitabel mussten sie sein. Über diesen traumatischen Wandel berichteten einmütig Wissenschaftsjournalisten aus Ungarn, Tschechien, Bulgarien, Kroatien, Russland auf einer internationalen Konferenz1. Sie kamen vom Regen in die Traufe.“ – Ich lese wohl nicht richtig. Wissenschaftsjournalismus war im Sozialismus besser möglich als jetzt bei uns? Das sieht mir doch sehr nach Geschichtsklitterung aus. Meine Ost-Berliner TELI-Kollegen haben mir nach der Wiedervereinigung anderes berichtet. (Diese Helsinki-Konferenz muss ich mir noch genauer anschauen).