Science Media Centre – mehr Risiken als Vorteile

Auf der Wissenswerte in Bremen stellten dieses Jahr unsere Kollegen von der WPK ihre Idee eines deutschen Science Media Centers (SMC) zur Debatte. Die Resonanz auf das Vorhaben ist ziemlich gleichverteilt gespalten zwischen Befürwortung und Ablehnung. (http://twitter.com/methodenkritik/status/273082665471709184/photo/1)

Publikum gespalten - Einschätzungen zu einem deutschen Science Media Center auf der Wissenswerte 2012

 

Um sich selbst ein Bild zu machen, dokumentiert TELI hier die wesentlichen Vor- und Nachteile.

Prämissen der SMC-Initiatoren:

Die Berichterstattung über Wissenschaft, Medizin und Technik weist in zahlreichen Medien, vor allem im TV, den Regionalzeitungen und der Boulevardpresse eklatante Mängel auf. Ergebnisse von Studien werden gehyped, schlecht eingeordnet und erzeugen gar bei Medizinthemen falsche, vorerst nicht erfüllbare Hoffnungen.

Dieses Manko werde in Zeiten schrumpfender Etats für Redaktionen und freie Mitarbeiter kaum von den Medien selbst zu beseitigen sein.

 

Ziele des SMC:

Zu relevanten Themen will ein SMC möglichst unabhängige Expertenmeinungen einholen, Zitate von Forschern bereitstellen und im Idealfall auch grundlegende fachliche Hintergründe liefern. Das soll sehr schnell (oft schon während einer Sperrfristzeit) von versierten Wissenschaftsjournalisten im Auftrag des SMC geschehen und möglichst frei verfügbar an Redaktionen UND freie Autoren weitergeleitet werden. Selbst in Wissenschaftsthemen nur mäßig bewanderte Kollegen sollen dadurch relevante Themen möglichst korrekt für Ihre Leser, Zuhörer und Zuschauer aufbereiten können.

 

Pro:

Auch wenn die Medien selbst die Gründe für die schlechte Berichterstattung zu verantworten haben, könnte ein SMC schnell und für die Verlagshäuser möglichst kostenfrei korrektere Einordnungen und Zitate zu aktuellen Themen liefern.

Redakteure können in der Recherchephase auf weitere Expertenzitate als bisher zurückgreifen.

Bisher unbeachtete Themen könnten identifiziert und aufbereitet werden, um die Themenvielfalt, besonders im Hinblick auf deutsche Forschungsergebnisse, zu erhöhen.

 

Contra:

Bisher werden nicht selten Freiberufler mit ausgewiesenem fachlichen Hintergrund mit Artikeln beauftragt, um eine korrekte Berichterstattung zu gewährleisten. Diese Aufträge könnten mit einem SMC wegfallen.

Sollten dank eines SMC auch Redakteure des „Vermischten“, der „Politik“ oder „Wirtschaft“ Agenturberichte gehaltvoll ergänzen können, könnte eine Anstellung von ausgewiesenen Wissenschaftsredakteuren überflüssig werden. Ein SMC könnte so dem Schrumpfen von Redaktionen Vorschub leisten.

Ein SMC muss über ein extrem kompetentes Team an Journalisten mit fachlicher Expertise verfügen. Sollten die sicher nicht geringen Kosten dafür von den Forschungsgesellschaften, Universitäten oder Instituten getragen werden, bleibt die Frage der journalistischen Unabhängigkeit zu klären.

Ein SMC könnte sich – nach britischem Vorbild – nur auf die großen Mainstream-Themen stürzen. Das würde Ergebnisse beispielsweise aus Science, Nature oder PNAS zusätzlich zu der schon gewährleisteten Verbreitung noch mehr hervorheben. Es droht, dass die jetzt schon mangelnde Themenvielfalt weiter eingeschränkt wird.

Je nach Finanzierungsmodell könnten nur zahlende Verlage und Journalisten Zugang zu einem SMC erhalten. Daraus könnte eine Wettbewerbsverschiebung zum Nachteil von heute schon finanziell schlecht ausgestatteten freien Kollegen führen.

In anderen europäischen Staaten (z.B. UK, Dänemark, Norwegen) gibt es bereits SMC bzw. ähnliche Strukturen. Die Resonanz darauf von Seiten vielen Redakteure ist negativ wie eine Recherche des TELI-Vorstands ergeben hat (Details dazu folgen).

Die Unabhängigkeit eines SMC könnte je nach Geldgeber nicht gewährleistet sein. Es besteht die Gefahr für nur ein weiteres PR-Portal für Wissenschaft und Technik.

 

Ungeklärt:

Die WPK wird für eine erste Planungs- und Konzeptphase höchst wahrscheinlich Gelder von der Robert-Bosch-Stiftung erhalten. Die weitere Finanzierung ist allerdings noch völlig ungeklärt. Im Fokus stehen vor allem die Forschungsgesellschaften in Deutschland, die zusätzlich zu eigener PR-Arbeit und dem idw ein SMC unterstützen sollen.

 

Fazit der TELI:

Die TELI schätzt die Nachteile eines SMC höher ein als die Vorteile. Vielmehr wäre wichtiger, die Arbeitsbedingungen von freien wie fest angestellten Wissenschaftsjournalisten zu verbessern. Denn alle geplanten SMC-Aktivitäten gehören schlicht zu den wichtigsten Hausaufgaben, die jeder gewissenhafte Journalist selber erledigen sollte. Ein Mittel für gute, korrekte Geschichten abseits des Themenmainstreams wären mehr Recherchestipendien. Das dieser Weg ein richtiger ist, zeigte die leider beendete Vergabe von Ad-Hoc-Stipendien der Robert-Bosch-Stiftung, die zahlreiche preisgekrönte Projekte und Artikel hervorgebracht hatte.

Doch ganz unmöglich ist es nicht, dass ein SMC unsere Berichterstattung ohne Nachteile für Redakteure wie frei arbeitende Kollegen verbessern könnte. Die Chancen dafür schätzt die TELi mit Blick auf den aktuellen Medienmarkt aber als gering ein.

 

Diskussion erwünscht:

Da das SMC-Konzept derzeit noch aktiv diskutiert wird, ist jede und jeder eingeladen, seine Meinung zu diesem Thema an dieser Stelle zu äußern. Natürlich können auch weitere Argumente für „Pro“ und „Contra“ ergänzt werden.

 

 

 

 

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9 Gedanken zu “Science Media Centre – mehr Risiken als Vorteile

  1. Pingback: SMC: Alles richtig gemacht – Wissenschaftskommunikation.de

  2. Pingback: Braucht der Journalismus Unterstützung, wenn er über Wissenschaft berichtet? – Plazeboalarm

  3. Acatech für Science Media Center

    Aus den frisch in Dresden vorgestellten Empfehlungen zur Verbesserung der Biotechnologie-Kommunikation

    S.37:

    (7) acatech empfiehlt die Einrichtung einer Clearingstelle im Internet, die Informationen zu kontroversen Themen unabhängig von allen Interessengruppen und ausgewogen aufbereitet. Solch eine Plattform könnte von Wissenschaftsjournalistinnen und Wissenschaftsjournalisten betreut werden. Angesichts der Informationsflut und der Vielzahl an Interessen kann solch eine Stelle nicht dazu dienen, die „richtige“ Sichtweise des Problems darzustellen, aber die Pluralität sichtbar machen, um eine verständigungsorientierte Basis für einen konstruktiven Dialog zu schaffen.

    http://idw-online.de/de/news510596

    http://www.acatech.de/fileadmin/user_upload/Baumstruktur_nach_Website/Acatech/root/de/Publikationen/Stellungnahmen/acatech_POSITION_Biotechnologie-Kommunikation_WEB.pdf

  4. Vielen Dank, besonders an die Kollegen Volker Stollorz und Alexander Mäder, für die weiteren Argumente für ein deutsches SMC nach ihren Vorstellungen. Genau diese Argumente sollen und müssen an dieser Stelle genannt werden, um den ersten – natürlich noch unfertigen – Eindruck, der auf der Wissenswerte gewonnen werden konnte, zu erweitern.

    Gerade weil das Konzept noch diskutiert wird, bleibt es wichtig, auch auf die potenziellen Risiken eines SMCs hinzuweisen. Denn nur durch Hinweise von allen Seiten kann das Konzept reifen. Sollten diese widerlegt werden können, werden viele Wissenschaftsjournalisten und ich selbst natürlich auch, diesen Service gerne nutzen wollen. Mit fast ins Persönliche driftenden Diffamierungsversuchen jedoch, leisten Kommentatoren der SMC-Entwicklung eher einen Bärendienst. Doch gerne schaue ich im Sinne einer zu wünschenden heftigen und dadurch fruchtbaren Debatte um ein deutsches SMC über solche Nickeligkeiten schmunzelnd hinweg.

    Interessant wären hier weitere Meinungen zum SMC von Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht wie ein Großteil der Kommentatoren seit Wochen und Monaten an der Planungsdiskussion beteiligt waren.

  5. Es gibt ja einen Vorläufer, der schon arbeitet: das CSC Climate Service Center in Hamburg
    http://www.climate-service-center.de/
    Das sollten wir uns genauer anschauen. Es ist auch nicht allein auf die Medien ausgerichtet, sondern auf unterschiedliche Nutzergruppen, was bei dieser Angebotsorientierung auch sinnvoll ist.
    Wie brauchbar ist das CSC für Journalisten?
    Mal hier am Beispiel Hurrikan Sandy prüfen:
    http://www.climate-service-center.de/034520/index_0034520.html.de

    Ein Manko für Mediennutzer ist das Tempo der Informationsaufbereitung.
    Zur Klimakonferenz in Doha ist das CSC im Moment keine Adresse.

    Immerhin wird man weiterverwiesen:
    http://www.klimanavigator.de/
    Wird auch vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht, also wissenschaftsseitig, betrieben.

    Von dort wird weiter verlinkt, etwa zum PIK. Eigentlich relativ aktuell, etwa zu Doha.

    Zum Beispiel diese Seite vom 26.11., die ganz gut aggregiert, wie die Klimawissenschaftler das Mediensystem in Nutzung nehmen:
    http://www.pik-potsdam.de/aktuelles/nachrichten/doha

  6. Wenn gestandene Journalisten im Namen eines, ihres Berufsverbands Position beziehen, sollte man erwarten dürfen, dass wenigstens die Prämissen stimmen. Eine Konstruktion, die zu einer weiteren Lobbyinstitution führt oder PR-Arbeit macht, ist von vorneherein ausgeschlossen worden. Es ist ein journalistisches Konzept. Service von Journalisten für Journalisten.
    Aber weder wurde offenbar genau zugehört auf der Wissenswerte-Veranstaltung, noch ist man offenbar bereit, das Konzeptpapier der WPK zur Kenntnsis zu nehmen. Es geht in keinem SMC darum, den ultimativen Wissenschaftsjournalismus abzuliefern und Kollegen, insbesondere freie, überflüssig zu machen. Der Konzeptentwurf liegt der Teli vor, und die Teli war in der Person von Alexander Gerber auch auf den beiden Workshops vertreten, die dazu bereits in Berlin in unserem Berliner Redaktionsräumen stattgefunden haben. Mutwillig hinter den Diskussionsstand zurück zu fallen, sollte hoffentlich nicht das Ziel dieses Blogs sein.
    Die „wesentlichen Vor- und Nachteile“ ist, die hier zusammengetragen worden sein sollen, sind, gelinde gesagt, ein Armutszeugnis. Allein das Herumlavieren um die Frage des (noch völlig offenen) Finanzierungsmodells in diesem Blog – und damit zusammenhängend auch die Frage der Unabhängigkeit – hätte doch klar machen müssen: Das Projekt ist noch lange nicht so ausgereift, die Grundsatzfrage nach dem Sinn und Zweck eines SMC an solchen offenen Fragen aufzuhängen. Konkurrenz für freie Journalisten? Warum sollte das SMC fertige Produkte anbieten – etwas, das kein anderes SMC tut? Die Inhalte und operationellen Konzepte sind gestaltbar. Die WPK beginnt gerade erst die Gespräche mit Stakeholdern und Insidern. Und sammelt Vorschläge. Und diskutiert auf Basis dieses Inputs. Die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, hätte ich mir als Beitrag eines Berufsverbandes auch gewünscht. Aber hier wird statt dessen versucht – und das auf dünnem Eis -, vorzugaukeln, dass mit der Gründung eines SMC-Service-Centers die gezielte Selbstzerstörung eines ganzen Berufsstandes organisiert werden soll.
    Nein, das SMC kann und will mit welchem Finanzierungsmodell auch immer (wie gesagt, so weit ist man ja noch gar nicht) weder andere Wissenschaftsjournalisten ersetzen noch zur Verarmung der Themenvielfalt beitragen (was ins Blatt kommt oder auf Sendung geht, ist und bleibt Sache von Redakteuren). Es führt im besten Fall nicht zu weniger Wissenschaftsberichterstattung (das geschieht ganz ohne SMC) , sondern zu einer Bereicherung in quantatitiver und qualitativer Hinsicht (z.B. mit PKs, Expertendatenbank, Hintergrund-Dossiers – alles Ideen, die hier gar nicht ins Gespräch gebracht wurden).
    Ich verstehe nicht, warum ausgerechnet Wissenschaftsjournalisten nun offensichtlich mit gezielter Destruktivität glänzen wollen und den potentiellen Stakeholdern die Sache von vorneherein madig machen. Wir können wohl kaum Unterstützung erwarten, wenn unklar bleibt, ob so ein Service von den potentiellen Nutznießern, den Journalisten, überhaupt gewünscht und genutzt wird.

  7. Ein dSMC, (k)eine gute Idee?

    Wer eine neue Idee kritisiert, für den ist es kein Schaden, sich zunächst mit den dahinter stehenden Konzepten zu beschäftigen. Bisher kann es schon deshalb noch kein journalistisches Konzept für ein dSMC geben, weil der eventuelle Bedarf für ein solches derzeit erst mit Fördermitteln der Robert Bosch-Stiftung eruiert wird, wie auf der Wissenswerte klar wurde. Die Diskussion auf der Konferenz war eine Art Testballon, um ein Stimmungsbild unter Akteuren zu erstellen und ich denke, das ist dank der Podiumsdiskussionsteilnehmer auch gut gelungen. Das entstandene Meinungsbild am Ende konnte schon deshalb nicht einheitlich ausfallen, weil derzeit offen ist, welchen Platz ein deutsches Science Media Center mit Blick auf unabhängigen Wissenschaftsjournalismus einnehmen könnte. Eine solche Frage ist nicht einfach als Pro und Contra zu beantworten wie hier insinuiert wird. Das britische SMC etwa fungiert eher als „Stimme der Wissenschaft“ und will O-Töne von wissenschaftlichen Experten in öffentliche Debatten einspeisen. Es agiert in einer Funktion als schnelle Eingreiftruppe, wenn „Feuer“ in den Nachrichten ausbricht und will Fachleute als „Feuerwehrleute“ aus der Wissenschaft liefern. Hier in Deutschland würde ein SMC vor allem dann Sinn machen, wenn wie schon beim Mediendoktor eigene Wege beschritten würden gegenüber internationalen Modellen, schon weil die deutsche Medienlandschaft eine andere ist als die in Japan, Australien, Kanada oder Großbritannien. Diese Vielfalt sollte man erst mal in den Blick nehmen, statt Vorbilder und Pappkameraden zu kritisieren.

    Ich denke bisher sind zwei Denkansätze für ein unabhängiges Journalistisches dSMC in der Diskussion. Ein dSMC könnte in medialen Hochphasen den Zugang zu echter Expertise für Journalisten aller Mediengattungen erleichtern. Als Beispiel mag hier der EHEC-Ausbruch gelten, wo echte Experten so überlastet waren, dass viele Journalisten auf vermeintliche EHEC-Experten zugreifen mussten, die faktisch falsche Informationen in Umlauf brachten. Hier könnte ein dSMC u.a. helfen, Qualität zu sichern durch die Bereitstellung echter Expertise, die Journalisten dringend suchen in Zeiten hoher Unsicherheit. Bei Anlässen wie Fukushima, der Aschewolke, der Seralini-Fütterungsstudie zu Risiken von Genmais usw. könnte ein dSMC helfen, solche echte wissenschaftliche Expertise zu lokalisieren und für alle bereitzustellen. Eine von kompetenten und unabhängigen Journalisten betriebene Anlaufstelle könnte für beide Seiten, also den Journalismus und die Wissenschaft den Aufwand senken, echte Expertise an den Start zu bringen, indem sie Zugänge erleichtert und sinnlose Doppelungen vermeidet. Ein solches Angebot zerstörte nicht Vielfalt, sondern sichert Qualität und schafft Zugang, wenn der Service so organisiert würde, dass er einen echten Mehrwert für Journalismus liefert. Manchmal ist die Ressource Wissen knapp, ihre gerechte Verteilung daher im öffentlichen Interesse extrem sinnvoll im Sinne einer unabhängigen Beobachtung durch Journalismus.

    Ein zweiter sinnvoller journalistischer Ansatz für ein dSMC könnte meiner Meinung nach sein, zu einer Art latentem Gedächtnis für hochkomplexe Themenfelder heranzureifen. Hierbei würden hochwertige Quellen, Artikel und Experten in Form eines „Storify“ oder einer Mindmap bereitgehalten, um Journalisten im Nachrichtenstrom Anknüpfungspunkte für eigene Recherchen zu liefern. Auch hier stünde die Vielfalt der journalistischen Zugänge im Zentrum, nicht eine stromlinienförmige „hit the headline“ Aktivität. Auf den Fall Seralini bezogen hieße das, nicht nur möglichst unabhängige, sondern vor allem kompetente wissenschaftliche Experten (Toxikologen, Statistiker usw.) für die methodische Einschätzungen der wissenschaftlichen Qualität der Studie an den Start zu bringen. Und zugleich den historischen Kontext der Debatte um GMO strukturiert sichtbar zu machen, etwa den seit Jahren schwelenden legitimen Streit um valide Testmethoden oder eventuelle Lücken bei der Erforschung der Sicherheit von gentechnisch veränderten Pflanzen. In der Bereitstellung von Kontext könnte ein dSMC echte Pionierarbeit auch im internationalen Konzert von SMC´s leisten, indem es z.B. ein sinnvolles Konzept für Interessenkonflikte für sprechfähige Experten in der Datenbank entwickelte.

    Ich bin gespannt auf die weiteren Diskussionen rund um ein dSMC, allerdings halte ich persönlich wenig davon, ungelegte Eier zu zerreden, indem man unausgegorene Konzepte kritisiert und Stimmung macht. Ob ein dSMC von den Journalisten selbst, Wissenschafts-Kommunikatoren, den Wissenschaften und weiteren wichtigen Akteuren in Deutschland akzeptiert und wirklich benötigt würde, hängt entscheidet davon ab, darüber nachzudenken, was es leisten könnte und vor allem was es alles nicht zu leisten vermag. Zum Beispiel vermag ein dSMC weder Nachrichtenagenturen zu ersetzen noch den IDW. Es kann auch nicht Pressestelle der Wissenschaft werden, allenfalls Clearingstelle für Qualität und echte Expertise. Diese öffentliche Aufgabe zu erfüllen wäre anspruchsvoll genug und nur in Kooperation mit den relevanten Akteuren zu erbringen, wenn überhaupt. Da müssten Profis ran. Eine journalistisch gut aufgestelltes dSMC aber könnte zu einem sinnvollen Werkzeug werden wie der Mediendoktor, der journalistische Qualität sichern hilft.

    Einen Gedanken möchte ich zum Schluss schon betonen: Es gibt kein Grundrecht auf schlechten Journalismus, die entscheidende Frage lautet vielmehr, ob eine Gesellschaft ohne guten Journalismus überleben kann (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/zukunft-des-journalismus-das-heilige-versprechen-11970610.html) EINE mögliche Antwort könnte ein dSMC Center sein und ich denke es würden sich Förderer finden, die unabhängigen Wissenschaftsjournalisten fördern wollen. Der Grund: sicheren Wissen in unserer Gesellschaft bleibt eine knappe Ressource in medialen Hochphasen, wie man an der Diskussion um die Strahlenrisiken zum Beispiel nach Fukushima erleben konnte. Echte Expertise in wissenschaftlichen Fragen bereitzustellen, daran müssten Wissenschaftsjournalisten größtes Interesse haben Blick auf Ihrer Funktion als unabhängige Beobachter der Wissenschaft.

  8. PLÄDOYER FÜR EINEN FREIEN UND INNOVATIVEN WISSENSCHAFTS-JOURNALISMUS

    „Viel Licht und Luft gibt Saft und Kraft“, summt der Gärtner, wenn er seine Bäume zurückstutzt. Das aus WENIGER MEHR werden kann, scheint ein Naturprinzip, dem gerade wir kritischen Wissenschaftsjournalisten nicht blind folgen sollten: Aus Auslichten kann bei fehlendem Augenmaß schnell ein Kahlschlag werden!

    Grundsätzlich ist es prima, wenn der deutsche Wissenschaftsjournalismus endlich mal ein Thema hat, das richtig polarisiert. Nur so werden Positionen sichtbar, entstehen neue Brückenschläge und zeitgemäße Optionen.

    Mich irritiert allerdings, dass dies mal wieder eine Import-Idee ist, eine angelsächsische. Gut möglich, dass Engländer und US-Amerikaner weiter sind in der journalistischen Kultur — müssen wir aber wie ein Drittweltland all diese Modelle übernehmen und adaptieren? Vor gut zehn Jahren löste PUSH hierzulande einen Hype aus, alle sprangen wie Trittbrettfahrer auf, heute wird der Ansatz als Schlag ins Wasser bewertet.

    Wäre es nicht sportlicher, intellektuell herausfordernder, eigene Modelle zu designen, „Porsches und Daimlers des künftigen Wissenschaftsjournalismus“?!

    Übrigens: Einer der führenden Wissenschaftsjournalisten der Welt, Pallab Gosh, BBC-Reporter und ehemaliger Präsident des Weltverbandes, spuckt Gift und Galle, wenn er SMC hört: ein Anschlag auf den freien Wissenschaftsjournalismus. Hecheln wir nicht einer Totentanz-Diskussion hinterher?

    Was mich noch mehr irritiert: Wenn ich dem heutigen taz-Beitrag von Manfred Ronzheimer folge, will die Wissenschaft mit dem SMC Filter einbauen und sicherstellen, dass über Forschung korrekt berichtet wird, im Klartext: Die Grenze zwischen Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation erodiert noch mehr, siehe auch „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“:

    https://www.taz.de/digitaz/2012/11/30/a0128.archiv/textdruck

    Im Großen und Ganzen wird in Deutschland kompetent und sachgerecht über Forschung berichtet. Wenn wir schon von Filtern und Qualitätsmanagement sprechen: Wer entscheidet denn die Kernfrage, welche Forschung gesellschaftlich relevant ist? Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft, Journalisten? Keiner bisher, allenfalls ein paar NGOs!

    Wenn wir die Partizipationsdiskussion der letzten zehn Jahre ernst nehmen, müssen wir endlich dieses Thema auf die Hörner nehmen. Deshalb wurde die TELI-Wissenschafts-Debatte ins Leben gerufen. Die SMC-Kontroverse ist eines von vielen Themen darin. Posten Sie hier, was Sie davon und den vielen anderen wissenschaftlich-technischen Herausforderungen für unsere Zukunft halten. Nur ein wirklich freier Wissenschaftsjournalismus kann die gesellschaftliche Erörterung dieser Schicksalsfragen voranbringen.

  9. Zu den Contra-Argumenten: Die Kritik an den bereits arbeitenden SMCs soll berücksichtigt werden; das deutsche Konzept unterscheidet sich zum Beispiel in einigen Punkten (vor allem der journalistischen Ausrichtung) deutlich vom britischen. Die Fragen zur Finanzierung sind meines Erachtens keine Gegen-Argumente, sondern sollten in der Diskussion berücksichtigt werden. Das Wichtigste sind die beiden ersten Kritikpunkte, die ich ernst nehme. Aber ich frage mich grundsätzlich: Sollten wir Angst davor haben, dass der Wissenschaftsjournalismus zurückgestutzt wird, wenn er besser wird? Bietet es nicht auch Chancen, wenn mehr Journalisten bei wissenschaftlichen Themen kompetent mitreden können?

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